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Angélique - In den Gassen von Paris

Angélique - In den Gassen von Paris

Titel: Angélique - In den Gassen von Paris Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A Golon
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Schöne …!«
     
    Er ergriff einen alten, kegelförmigen Hut, wie ihn die Schulmeister trugen, setzte ihn auf seinen blonden Schopf und schlüpfte unter der Plane hervor.
    »Sei brav«, flüsterte er noch lächelnd, »und erzähle deinem Herrn nichts von meinen Zudringlichkeiten … Ja, ich sehe schon, du wirst nichts sagen. Du bist eine ganz Reizende, Marquise der Engel … Ich werde an dich denken bis zu dem Tag, an dem man mich hängt … und sogar noch darüber hinaus … Lebewohl!«
    Sie hörte noch, wie er von dem Kahn wegwatete. Dann sah sie, wie er in der Sonne über das Ufer lief. Mit seiner schwarzen Kleidung, dem spitzen Hut, den dünnen Waden und seinem durchlöcherten Mantel, der im Wind flatterte, sah er aus wie ein merkwürdiger Vogel.

    Ein paar Schiffer, die gesehen hatten, wie er von dem Kahn kletterte, warfen mit Steinen nach ihm. Er wandte ihnen sein blasses Gesicht zu und bog sich vor Lachen. Dann war er plötzlich verschwunden wie ein Traum.
     
    Diese wunderliche Begegnung hatte Angélique aufgeheitert und die Erinnerung an das bittere, nächtliche Zusammentreffen mit Desgrez in den Hintergrund gedrängt.
    Besser, sie dachte nicht mehr daran. Sie schüttelte den Kopf und fuhr sich durchs Haar, um die Halme daraus zu entfernen. Im Moment wollte sie den Zauber des Neubeginns nicht zerstören. Ein wenig bedauernd seufzte sie. Hatte sie wirklich kurz davor gestanden, Nicolas zu betrügen?
    Die Marquise der Engel zuckte die Schultern und lachte boshaft auf. Bei einem solchen Liebhaber konnte man nicht von Betrug reden. Außer der Sklaverei des Elends verband sie nichts mit Nicolas.
    Das Erschrecken des jungen Mannes ließ sie einmal mehr ermessen, mit welch starkem Schutz der Bandit sie umgab. Wäre sie ohne ihn und seine besitzergreifende Liebe noch viel tiefer gesunken?
    Dafür hatte sie ihm ihren edlen Körper überlassen, von dem er sein Leben lang geträumt hatte.
    Sie waren quitt. Sie hätte keinerlei Skrupel gehabt, sich mit einem anderen Mann sanfteren Liebkosungen hinzugeben, deren Süße sie ganz vergessen hatte. Aber der Mann war geflohen, und das war besser so. Sie hätte es nicht ertragen, wenn Calembredaines Messer diesen charmanten Schwatzkopf zum Schweigen gebracht hätte.
     
    Angélique wartete noch einen Moment und schlich sich dann ebenfalls von dem Heukahn. Als sie ins Wasser glitt,
fand sie es kalt, aber nicht eisig; und als sie sich umschaute, blendete das helle Tageslicht sie beinahe. Sie begriff, dass es Frühling geworden war.
    Hatte der Student nicht von Blumen und Obst auf dem Pont-Neuf gesprochen? Angélique fühlte sich, als hätte jemand einen Zauberstab geschwungen. Ganz plötzlich war die warme Jahreszeit angebrochen.
    Der dunstige Himmel war mit einem rosigen Hauch überzogen, und die Seine glitzerte silbrig. Boote glitten über ihre glatte, ruhige Oberfläche, und man hörte das Klatschen ihrer Ruder. Flussabwärts schienen die Klopfer der Wäscherinnen in einen Dialog mit dem Klappern der Mühlenschiffe getreten zu sein.
    Angélique fand eine Stelle, an der die Schiffer sie nicht sehen konnten, und wusch sich in dem kalten Wasser, das ihr Blut auf angenehme Weise rascher fließen ließ. Nachdem sie sich wieder angekleidet hatte, ging sie am Ufer entlang bis zum Pont-Neuf.
    Die Worte des Unbekannten hatten Angéliques vom Winter betäubte Lebenslust wieder erweckt.
     
    Zum ersten Mal nahm sie den Pont-Neuf in seiner ganzen Herrlichkeit wahr, seine schönen weißen Brückenbögen und das spontane, fröhliche und unermüdliche Treiben, das sich auf ihm abspielte.
    Ein unablässiges Stimmengewirr stieg von ihm auf, in dem sich die Rufe der Händler und Handwerker, das Geschrei von Gauklern und Zahnbrechern, die ihr Publikum anlockten, Gesang, das Glockenspiel der Samaritaine und die Klagen der Bettler mischten.
     
    Angélique ging zwischen den Reihen aus Marktständen hindurch. Ihre Füße waren nackt. Ihr Kleid war zerrissen;
und nachdem sie ihre Haube verloren hatte, hing ihr das lange Haar über die Schultern und wurde von der Sonne vergoldet. Auf dem Pont-Neuf waren nackte Füße ebenso unterwegs wie die groben Schuhe der Handwerker und die roten Absätze der Adligen.
    Vor dem Wasserschloss der Samaritaine blieb sie stehen, um die »fleißige Uhr« zu betrachten, die nicht nur die Stunden, sondern auch die Tage und Monate anzeigte und ein Glockenspiel in Bewegung setzte, das der Erbauer als guter Flame sich nicht hatte nehmen lassen.
    An der Fassade dieser

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