Angélique - In den Gassen von Paris
Saint-Julien-le-Pauvre, wo sich der Sitz ihrer Gilde befand, oder aus der Rue de l’Arbre Sec, wo sie sich in den Gärten der Provenzalischen Brüder mit Waren versorgten.
Die Jüngeren gingen mit ihren Körben voller Tuberosen, Rosen und Jasminblüten durch die Menge, während die Älteren hinter einem Stand im Schutz eines roten Sonnenschirms Stellung bezogen.
Eine der Frauen bat Angélique, ihr beim Binden der Blumensträuße zu helfen, und da Angélique dabei einen guten Geschmack bewies, gab sie ihr zwanzig Sols.
»Du siehst mir zu alt aus, als dass ich dich als Lehrmädchen nehmen könnte«, meinte sie, nachdem sie Angélique gemustert hatte. »Auf der anderen Seite würde ein junges Mädchen zwei Jahre brauchen, bis es solche Sträuße hinbekommt wie du. Wenn du für mich arbeiten willst, werden wir uns schon einig.«
Angélique schüttelte den Kopf, schloss die Hand fest um die zwanzig Sols und ging davon. Immer wieder schaute sie auf die paar Münzen hinunter, die ihr die Händlerin gegeben hatte. Das war das erste Geld, das sie jemals selbst verdient hatte.
Bei einem Händler, der in Öl Gebratenes feilhielt, kaufte sie Schmalzgebäck und schlang es hinunter, während sie sich unter die Gaffer mischte, die vor dem Karren des Großen Matthieu standen und sich vor Lachen bogen.
Der Große Matthieu war wirklich brillant! Er hatte sich gegenüber der Statue von König Heinrich IV. niedergelassen und fürchtete weder dessen Lächeln noch seine Majestät.
Er stand auf seinem Karren, der eigentlich eine von einem Geländer umgebene Bühne auf vier Rädern darstellte, und redete so laut auf die Menge ein, dass man ihn von einem Ende des Pont-Neuf bis zum anderen hörte.
Sein Privatorchester bestand aus drei Musikern – einem Trompeter, einem Trommler und einem Zimbelspieler –, die seine Ansprachen untermalten und die Klageschreie der Kunden, denen er die Zähne zog, mit ohrenbetäubendem Lärm übertönten.
Begeistert, hartnäckig und mit außerordentlicher Kraft und Geschicklichkeit wurde der Große Matthieu auch mit den widerspenstigsten Zähnen fertig. Er ließ den Patienten niederknien und zog ihn mit der Zange vom Boden hoch. Anschließend schickte er sein taumelndes Opfer zum Branntweinhändler, um sich den Mund auszuspülen. Zwischen seinen Behandlungen marschierte der Große Matthieu mit im Wind wehender Hutfeder, seiner doppelten Zahnkette, die über seinem Seidenrock hing, und dem gewaltigen Säbel, der ihm an die Wade schlug, auf der Bühne auf und ab. Er rühmte seine Kunstfertigkeit und die ausgezeichnete Qualität seiner Arzneien, Pulver, Pasten und Salben aller Arten, die aus reichlich Butter, Öl, Wachs sowie einigen unschuldigen Kräutern gekocht wurden.
»Vor Euch seht Ihr, Mesdames und Messieurs, den berühmtesten Mann der Welt, einen Virtuosen, einen Phönix seiner Kunst, ein Musterbeispiel von einem Arzt, den direkten Nachfolger des Hippokrates, den Erforscher der Natur, die Geißel aller Fakultäten. Ihr habt einen methodischen Arzt vor Euch, einen galenischen, hippokratischen, chemischen, spagyrischen und empirischen. Die Soldaten mache
ich aus Gefälligkeit gesund, die Armen um Gottes Lohn und die reichen Kaufleute um des Geldes willen. Ich bin weder Doktor noch Philosoph, aber meine Salbe vollbringt genauso viel wie Philosophen und Doktores. Die Erfahrung ist wertvoller als die Wissenschaft. Da habe ich zum Beispiel eine Pomade, die den Teint aufhellt. Sie ist weiß wie Schnee und duftet nach Balsam und Moschus … Und ich habe eine Salbe von unschätzbarem Wert, denn – und jetzt hört mir genau zu, galante Damen und Herren – diese Salbe schützt denjenigen, der sie benutzt, vor den hinterlistigen Stacheln am Rosenstrauch der Liebe.«
Dann hob er die Arme und begann schwärmerisch zu deklamieren:
»Kommt, Ihr Leute, und kauft
von dem großen Heilmittel für alle Leiden.
Dieses wunderbare Pulver
schenkt dem Toren Verstand,
macht den Gauner ehrbar und den Schuldigen
unschuldig.
Alte Weiber finden junge Liebhaber
und der verliebte Greis eine junge Mätresse,
und sie macht den Unwissenden wissend …«
Seine Tirade, die er unter heftigem Augenrollen vortrug, ließ Angélique in Gelächter ausbrechen. Er bemerkte sie und winkte ihr freundschaftlich zu.
Ich habe gelacht. Warum habe ich nur gelacht?, fragte sich Angélique. Was er da erzählt, ist doch vollkommen idiotisch.
Sie hatte einfach Lust gehabt, zu lachen.
In diesem Moment trat ein Mann zu
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