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Angélique - In den Gassen von Paris

Angélique - In den Gassen von Paris

Titel: Angélique - In den Gassen von Paris Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A Golon
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monumentalen Wasserpumpe, die den Louvre und die Tuilerien mit Wasser versorgte, befand sich ein Basrelief, das die Szene aus dem Evangelium darstellte, in der die Samariterin Jesus am Jakobsbrunnen zu trinken gibt.
     
    Angélique blieb vor jeder Bude stehen: beim Spielzeugmacher, dem Geflügelhändler, dem Vogelhändler, dem Tinten- und Farbenverkäufer, dem Marionettenspieler, dem Hundescherer und dem Hütchenspieler. An der Ecke der Samaritaine erblickte sie Pain-Noir mit seinen Pilgermuscheln, Mort-aux-Rats, der sein trauriges Wildbret auf seinem Rapier aufgespießt feilbot, und Mutter Hurlurette und Vater Hurlurot.
    Inmitten eines Kreises von Schaulustigen quälte der alte Blinde seine Kratzgeige, und die Alte kreischte eine sentimentale Ballade, in der es um Gehängte und Leichen ging, denen die Raben die Augen auspickten, um alle möglichen schrecklichen Dinge eben. Das Publikum lauschte melancholisch und mit gesenktem Blick. Für die kleinen Leute von Paris waren Hinrichtungen und Prozessionen eine gute Unterhaltung, die nicht viel kostete und bei der man sich zutiefst bewusst wurde, dass man einen Körper und eine Seele besaß.

     
    Mutter Hurlurette trug ihr Klagelied mit Inbrunst vor.
    »Hört, was ich zu sagen habe:
Wenn ich einst auf den Galgen steige,
bet’ ich für euch, keine Frage,
bevor ich euch die Zunge zeige.«
    Man konnte durch ihren zahnlosen Mund bis tief in ihren Rachen sehen. Eine Träne löste sich aus ihrem Auge und verschwand in ihren Falten. Sie war Furcht einflößend und bewunderungswürdig.
    Sie beendete ihren Vortrag mit einem hohen Tremolo. Dann leckte sie an ihrem dicken Daumen und begann, Blättchen zu verteilen, von denen sie einen Stapel unter ihrem Arm trug.
    »Wer hat noch keinen Gehängten?«, rief sie.
     
    Als sie in Angéliques Nähe kam, stieß sie einen Freudenschrei aus. »He, Hurlurot, da ist das Mädel ja! Dein Mann zetert uns schon den ganzen Tag etwas vor. Er sagt, der verfluchte Hund hätte dir die Kehle durchgebissen. Alle Gauner und Krüppel von Paris will er auf das Châtelet hetzen. Und die Marquise geht auf dem Pont-Neuf spazieren!«
    »Ja, warum auch nicht?«, entgegnete Angélique von oben herab. »Das macht ihr doch auch!«
    »Ich bin bei der Arbeit«, gab die Alte geschäftig zurück. »Du kannst dir nicht vorstellen, was dieses Lied einbringt. Das sage ich dem Schmutzpoeten immer: ›Gib mir Gehängte. Nichts bringt mehr ein als Gehängte.‹ Hier, willst du ein Blatt? Kriegst es umsonst, weil du unsere Marquise bist.«
    »Wenn ihr heute Abend in die Tour de Nesle zurückkehrt, gibt es Wurst für euch«, versprach Angélique.

    Dann ging sie mit den anderen Spaziergängern davon und las dabei das kleine Gedicht.
    Hört, was ich zu sagen habe:
Wenn ich einst auf den Galgen steige,
bet’ ich für euch, keine Frage,
bevor ich euch die Zunge zeige.
    Unten auf der Seite, in der Ecke, stand die Unterschrift, die sie schon kannte: »Der Schmutzpoet«. Eine bittere, hasserfüllte Erinnerung stieg in Angéliques Herzen auf. Sie schaute zu dem Bronzepferd auf seinem Podest hoch. Sie hatte gehört, dass der Schmutzpoet dort manchmal hinaufkletterte, um zwischen seinen Beinen zu nächtigen. Die Gauner achteten seinen Schlaf. Außerdem gab es bei ihm nichts zu stehlen. Er war ärmer als der ärmste Gauner, stets unterwegs, stets hungrig und stets verfolgt, und stets wirbelte er Staub auf und verspritzte sein Gift in ganz Paris.
    Wie kommt es, dass ihn noch niemand umgebracht hat?, dachte Angélique. Ich würde ihn bestimmt töten, wenn ich ihn treffen würde. Aber vorher würde ich ihm noch sagen, aus welchem Grund …
    Sie knüllte das Papier zusammen und warf es ins Wasser. Eine Kutsche fuhr vorüber. Vor ihr rannten Läufer, die wie Eichhörnchen hüpften. Prachtvoll sahen sie aus in ihren seidenen Livreen und mit den Federn an ihren Hüten.
     
    Die Zuschauer versuchten zu erraten, wer in der Kutsche saß. Angélique sah die Läufer an und dachte an Pied-Léger, dessen Herz vor lauter Laufen gebrochen war.
    Der bronzene Heinrich IV. glänzte in der Sonne und lächelte auf die roten und rosafarbenen Schirme am Boden herunter. Die Orangen- und Blumenhändlerinnen hatten
sich zu seinen Füßen niedergelassen und priesen laut die goldenen Früchte an.
    »Orangen aus Portugal! Orangen aus Portugal!«
     
    Die Markthändlerinnen vom Pont-Neuf waren schon in aller Frühe hier eingetroffen. Sie kamen aus der Rue de la Bouqueterie, in der Nähe von

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