Angelique und der Koenig
er sie entdeckte, die er ein paar Stunden zuvor jammernd in einem Kloster zurückgelassen hatte? Angélique straffte sich mit einer entschlossenen Bewegung. Sie kannte ihn zur Genüge, um zu wissen, dass er im Angesicht des Königs keinen Skandal riskieren würde. Aber danach…?
Der König hatte sich wieder in Bewegung gesetzt, und sein starrer, undurchdringlicher Blick blieb nun auf ihr haften und schien sie trotzdem nicht zu sehen.
Angélique senkte den Kopf nicht, während er vor ihr sein Pferd verhielt. Sie sagte sich, dass sie stets ihre Angst überwunden habe und dass sie heute am allerwenigsten die Fassung verlieren werde. Sie hielt dem Bück des Königs stand, dann lächelte sie ungezwungen. Die Wangen des Monarchen röteten sich.
»Aber... ist das nicht Madame du Plessis-Bellière?« fragte er hoheitsvoll.
»Euer Majestät geruht, sich meiner zu erinnern?«
»Gewiss, und sehr viel mehr, als Ihr Euch Unsrer zu erinnern scheint«, erwiderte Ludwig XIV., indem er seine Umgebung zu Zeugen einer solchen Naivität und Undankbarkeit aufrief.
»Ist Eure Gesundheit endlich wiederhergestellt, Madame?«
»Ich danke Euer Majestät, aber ich habe mich immer der besten Gesundheit erfreut.«
»Wie kommt es dann, dass Ihr dreimal meine Einladungen ignoriert habt?«
»Sire, verzeiht mir, aber sie sind mir nie übermittelt worden.«
»Ihr setzt mich in Erstaunen, Madame. Ich habe persönlich Monsieur du Plessis von meinem Wunsche in Kenntnis gesetzt, Euch bei den Hoffesten zu sehen. Ich bezweifle, dass er so zerstreut gewesen sein könne, es zu vergessen.«
»Sire, vielleicht hat mein Gatte gemeint, eine junge Frau habe beim Stickrahmen in ihrem Heim zu bleiben und dürfe sich nicht durch den Anblick der Wunder des Hofs ablenken lassen.«
In einer einzigen Bewegung wandten sich alle Federhüte im Verein mit dem des Königs zu Philippe um, der statuenhaft wie die Personifizierung ohnmächtiger, kalter Wut auf seinem Schimmel saß. Der König ahnte, wie die Sache sich verhielt. Er war ein Mann von Geist, und er beherrschte die Kunst, die peinlichsten Situationen taktvoll zu meistern. Er brach in Gelächter aus.
»Oh, Marquis, wie ist das möglich! Sollte Eure Eifersucht so groß sein, dass Ihr vor keinem Mittel zurückschreckt, um uns den Anblick des bezaubernden Schatzes vorzuenthalten, dessen Besitzer Ihr seid? Ich verzeihe Euch für diesmal, aber ich verurteile Euch dazu, gute Miene zum Erfolg Madame du Plessis’ zu machen. Was Euch betrifft, Madame, möchte ich Euch nicht gar zu weit auf den Weg ehelichen Ungehorsams treiben, indem ich Euch dazu beglückwünsche, den Entscheidungen eines allzu selbstherrlichen Gatten zuwidergehandelt zu haben. Aber Euer Unabhängigkeitsstreben gefällt mir. Nehmt also rückhaltlos an dem teil, was Ihr die Wunder des Hofes nennt. Ich verbürge mich dafür, dass Monsieur du Plessis Euch nicht tadeln wird.«
Philippe, den Hut in der Hand, verneigte sich in fast übertriebener Unterwürfigkeit. Ringsum sah Angélique nur noch bemühtes Lächeln auf den maskenhaften Gesichtern, die drei Sekunden zuvor nichts als lüsterne Neugier ausgedrückt hatten, bereit, sie in tausend Stücke zu zerreißen.
»Meinen Glückwunsch!« lächelte Madame de Montespan.
»Ihr versteht es, Euch in unmögliche Situationen zu bringen, aber auch, sie zu meistern. Aus dem Gesicht des Königs glaubte ich schließen zu können, dass Ihr die ganze Meute auf Euren Fersen haben würdet. Doch im nächsten Augenblick wirktet Ihr wie ein wagemutiges Opfer, das tausend Hindernisse und sogar die Mauern eines Gefängnisses überwunden hat, um, koste es, was es wolle, der Einladung Seiner Majestät Folge zu leisten.«
»Ihr wisst gar nicht, wie recht Ihr habt!«
»Oh, erzählt mir doch!«
»Vielleicht... ein andermal.«
Angélique beendete die Unterhaltung, indem sie ihr Pferd in Galopp versetzte. Durch einen Hohlweg wälzte sich der Zug der Reiter, Knechte und Hunde den Hügel von Fausse-Repose hinab, während in ihrem Rücken die Hörner bliesen, um die Nachzügler zu leiten. Bald tauchte vor ihnen der von Kutschen versperrte Kreuzweg auf.
Am Waldrand wartete der Trupp zerlumpter Soldaten, dessen Anführer Angélique und Mademoiselle de Parajonc Beistand geleistet hatte. Als der König mit seinem Gefolge erschien, begannen ein Querpfeifenspieler und ein Trommler einen Militärmarsch zu spielen. Hinter ihnen setzten sich die beiden Bannerträger, dann der Anführer in Bewegung, dem seine Offiziere und die kleine Truppe
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