Angelique und der Koenig
Soldat, gewitzt wie ein Pariser, obwohl er aus dem Poitou stammte, und rotblond wie ein Engländer, unter denen er Vorfahren haben mochte, die im 14. und 15. Jahrhundert Aquitanien besetzt hatten. Obwohl er wie ein Holzfäller wirkte, fühlte er sich in seiner Bedienstetenrolle zu Hause und war im übrigen geschwätzig und stets über alles informiert. Doch sein Redestrom versiegte jäh, als er Angélique entdeckte, und er starrte sie mit offenem Mund wie ein Gespenst an. War das dieselbe Frau, die er vor ein paar Stunden wie eine Wurst eingewickelt den guten Schwestern des Klosters der Augustinerinnen von Bellevue übergeben hatte …?
»Ja, ich bin’s, Halunke von einem Kammerdiener!« fuhr Angélique ihn zornig an. »Scher dich hinaus, Elender, der du um ein Haar die Frau deines Herrn erwürgt hättest!«
»Maâme... Maâme«, stammelte La Violette, der in seiner Verwirrung in den Dialekt seiner bäuerlichen Herkunft verfiel, »es ist nicht meine Schuld. Der Herr Marquis hat…«
»Hinaus, habe ich gesagt!«
Sie wies zur Tür und begann ihn mit allen Schimpfworten zu überschütten, die ihr in der Sprache ihrer Kindheit zu Gebote standen. Das war zuviel für La Violette. Zitternd, mit hängenden Schultern schob er sich an ihr vorbei zur Tür. Auf der Schwelle prallte er gegen den Marquis.
»Was geht hier vor?«
Angélique war der Situation gewachsen.
»Guten Abend, Philippe«, sagte sie.
Er streifte sie mit einem kalten Blick. Doch plötzlich sah sie, wie in seine Augen ein Ausdruck der Verblüffung, dann des Entsetzens und schließlich geradezu der Verzweiflung trat. Sie wandte sich unwillkürlich um, überzeugt, zumindest den Teufel hinter sich zu erblicken. Doch sah sie nur den Türflügel, auf den einer der blauen Quartiermacher den Namen des Marquis geschrieben hatte.
»Das also verdanke ich Euch!« explodierte er und schlug mit der Faust gegen die Tür. »Diesen Affront verdanke ich Euch... den Verlust der Achtung, die Ungnade des Königs!«
»Ich verstehe nicht…«, murmelte sie verwirrt.
»Seht Ihr denn nicht, was auf dieser Tür geschrieben steht?«
»Freilich... Euer Name.«
»Ja, mein Name! Genau das! Mein Name. Nichts weiter.«
»Aber was soll denn sonst drauf stehen?«
»Was ich seit Jahren an allen Orten gelesen habe, zu denen ich den König begleitete, und was heute dank Eurer Dummheit, Eurer Unverschämtheit, Eurer… Einfältigkeit weggelassen worden ist. Das Für... Das Für!«
»Das Für …? Wieso?«
»Für den Herrn Marquis du Plessis-Bellière, stieß Philippe, bleich vor Zorn und Schmerz zwischen den Zähnen hervor. »Für... die spezielle Einladung Seiner Majestät. Das Wort, durch das der König seine freundschaftliche Gesinnung bekundet, als heiße er einen persönlich an der Schwelle dieses Zimmers willkommen.«
Die Geste, mit der er auf den engen Mansardenraum wies, weckte Angéliques Sinn für Humor.
»Macht Ihr nicht ein wenig zuviel Aufhebens von Eurem Für«, fragte sie, sich mühsam das Lachen verbeißend.
»Einer der Quartiermacher wird sich versehen haben, Philippe. Seine Majestät zeigt doch bei jeder Gelegenheit, welches Maß an Wertschätzung sie Euch entgegenbringt. Ihr seid es, der heute den Leuchter tragen darf, wenn sich der König zur Ruhe begibt.«
»Eben nicht«, sagte er schroff, »und gerade das ist der Beweis, dass der König mit mir unzufrieden ist. Dieses Ehrenamt ist vor wenigen Augenblicken Monsieur de Bouillon übergeben worden.«
Der Stimmaufwand des jungen Mannes hatte die Bewohner der Nachbarzimmer auf den Gang gelockt.
»Eure Frau hat recht, Marquis«, sagte vermittelnd der Herzog von Gramont. »Ihr macht Euch unnütze Sorgen. Seine Majestät hat sich persönlich die Mühe genommen, Euch davon in Kenntnis zu setzen, dass sie Euch nur deshalb gebeten hat, auf den ›Leuchter‹ zu verzichten, weil sie dem Herzog von Bouillon über die Eigenmächtigkeit des Fürsten bei der Abendmahlzeit hinweghelfen wollte.«
»Aber das Für! Warum kein Für?« schrie Philippe und traktierte die Tür abermals mit einem wütenden Faustschlag. »Dieses Frauenzimmer ist schuld daran, dass ich in der Gunst des Königs sinke!«
»Und was habe ich mit Eurem verwünschten Für zu schaffen?« rief Angélique, ihrerseits vom Zorn überwältigt.
»Ihr verdrießt den König durch Euer verspätetes Kommen zu seinen Einladungen, durch Euer unschickliches Erscheinen …«
Angélique konnte sich vor Empörung nicht mehr halten:
»Ihr wagt mir das vorzuwerfen? Dabei wart Ihr es,
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