Angelique und der Koenig
die Madame de Montespan in ihr auslösten, waren zwiespältig. Sie beneidete sie zwar nicht um ihre Schönheit, die ihrer eigenen ähnlich war – beide waren sie rassige Vertreterinnen derselben Landschaft, des Poitou –, aber doch um ihr strahlendes Wesen und die Unbekümmertheit, mit der sie die gewagtesten Dinge äußerte. Alles, was zweideutig war an ihren Einfällen, wurde durch ihre köstliche Ausdrucksweise gemildert, so dass man sich wunderte, nicht darüber schockiert zu sein. Diese besondere Wortgewandtheit, dank deren Ungezwungenheit und Anmut man eine geradezu zynisch zu nennende Unterhaltung hinnahm, wenn nicht gar bewunderte, war ein Familientalent: man nannte sie allgemein die Mortemart-Sprache. Auch in sonstiger Hinsicht war die Familie Mortemart de Rochechouart bemerkenswert. Einstmals hatte Eduard von England eine seiner Töchter einem Seigneur de Mortemart zur Frau gegeben. Und die Pateneltern des derzeitigen Herzogs von Vivonne, des Bruders Madame de Montespans, waren der König und die Königinmutter. Doch hatte das nicht gehindert, dass Athénaïs fast mittellos in Paris angekommen war, ohne andere Güter als eine alte Kutsche, und dass sie seit ihrer Heirat aus einer misslichen finanziellen Situation in die andere geriet.
Die junge Frau, sehr stolz und sensibler, als man vermuten konnte, hatte so manches Mal Tränen darüber vergossen.
Angélique kannte die demütigenden Probleme, mit denen Athénaïs sich herumschlug, und seitdem sie über ihre häuslichen Verhältnisse Bescheid wusste, hatte sie unzählige Male Gelegenheit gehabt, die drängenden Gläubiger zu beschwichtigen, indem sie eine Summe lieh, die sie niemals wieder sehen würde und für die man ihr nicht einmal dankte. Was Angélique nicht hinderte, ein gewisses Vergnügen dabei zu empfinden, sich das Ehepaar Montespan zu verpflichten. Manchmal wunderte sie sich über diese seltsame Freundschaft, denn sie gestand sich ein, dass Athénaïs im Grunde wenig sympathisch war und dass die Klugheit ihr eigentlich hätte gebieten müssen, sich von der jungen Frau fernzuhalten, deren Vitalität sie immer wieder anzog.
Angéliques Anspielung auf die Gunst des Königs bewirkte, dass Madame de Montespans Gesicht sich aufhellte.
»Die Königin steht vor der Niederkunft, Mademoiselle de La Vallière ist seit kurzem in anderen Umständen – kurz und gut, der Augenblick scheint günstig, das Interesse des Königs zu wecken«, meinte sie mit ihrem strahlenden, immer ein ganz klein wenig boshaften Lächeln.
»Oh Angélique, zu welchen Worten, zu welchen Gedanken verleitet Ihr mich! Ich wäre unglücklich und müsste mich schämen, wenn der König mich zu seiner Mätresse machen wollte. Ich würde nicht mehr wagen, der Königin vor die Augen zu treten, die eine herzensgute Frau ist.«
Angélique war von der Ehrlichkeit ihrer sittlichen Entrüstung nicht völlig überzeugt.
»Entsinnt Ihr Euch jenes Besuches«, sagte sie lachend, »den wir gemeinsam mit Françoise Scarron der Wahrsagerin Mauvoisin machten? Wenn ich mich nicht irre, wolltet Ihr damals schon wissen, ob es Euch gelingen werde, die Liebe des Königs zu gewinnen…«
»Kinderpossen!« erklärte die Marquise mit einer Handbewegung, die andeuten sollte, wie wenig ernst sie ihre Launen von damals nahm. »Im übrigen war ich um diese Zeit noch nicht im Dienst der Königin und suchte nach Möglichkeiten, bei Hofe anzukommen. Die Mauvoisin hat uns nur Albernheiten erzählt…«
»Dass wir alle drei vom König geliebt werden würden!«
»Selbst Françoise Scarron!«
»Wenn mein Gedächtnis mich nicht trügt, sollte ihre Zukunft sogar noch glänzender sein. Die Mauvoisin sagte ihr voraus, dass sie den König heiraten werde!«
Sie lachte aus vollem Herzen.
»Um auf Eure Frage zurückzukommen«, sagte Athénaïs, »ich möchte Euch gerne behilflich sein, meine Liebe. Vielleicht könnte ich Euch wenigstens bei der Königin vorstellen.«
»Tut das«, sagte Angélique freudig. »Und ich verspreche Euch, dass ich in meiner Schatulle das Nötige finden werde, um Eure Gläubiger ein weiteres Mal zu besänftigen.«
Die Marquise de Montespan war beglückt und verbarg es nicht.
»Einverstanden. Ihr seid ein Engel... Ihr würdet sogar ein Erzengel sein, wenn Ihr mir darüber hinaus einen Papagei verschaffen könntet. Ja, einen jener großen Vögel von den Antillen, mit denen Ihr handelt… Ihr wisst doch, die mit den roten und grünen Federn... Oh, es wäre zu schön!«
Fünftes Kapitel
Im Morgendämmern
Weitere Kostenlose Bücher