Angelique und der Koenig
Euch eine lange Audienz gewährt hat. Er hat Monsieur du Plessis unter vier Augen die Leviten gelesen, aber noch am gleichen Abend hatte Euer Gatte die Ehre, beim Coucher des Königs in Saint-Germain das Hemd zu reichen. Aller Welt ist klargeworden, wie freundschaftlich Seine Majestät ihm und Euch gesinnt ist.«
Madame de Choisy bekräftigte diese Worte. Da der König den Wunsch geäußert habe, Madame du Plessis möge ihre Söhne vorstellen, müsse sie dem nachkommen, bevor sich diese erfreuliche Anwandlung wieder verflüchtigt habe.
Madame de Choisy suchte auch Madame de Montausier, die Frau des zukünftigen Hofmeisters des Dauphins und derzeitige Erzieherin der »Kinder Frankreichs«, auf und legte mit ihr den Tag der Begegnung fest. So wurden Florimond und Cantor gelegentlich eines kurzen Aufenthalts in Versailles bei Hofe vorgestellt. Beide waren in erpelblauen Atlas gekleidet und mit der gebührenden Anzahl von Schleifen und Bändern geschmückt. Sie trugen weiße Strümpfe, hohe Absätze und kleine, silberne Zierdegen an der Seite. Auf ihren Krausköpfen saßen runde Hüte aus schwarzem Filz mit roten Federn, die nicht buschig waren, sondern der neuesten, sich eben durchsetzenden Mode gemäß über den Rand herausragten. Da es kalt war und geschneit hatte, trugen sie schwarze, mit goldenen Litzen besetzte Samtmäntel. Der Abbé de Lesdiguières erklärte, Florimond verstünde auf völlig natürliche Art, ›den Mantel zu tragen‹, was eine Kunst sei, die einem in die Wiege gelegt werde. Leute niederer Herkunft lernten sie nie.
Der Dauphin war ein dicklicher kleiner Junge, der seinen Mund nie ganz geschlossen hielt, da er leicht »eine schlimme Nase« bekam, wie seine Erzieherin sagte. Mit nur mäßiger Intelligenz begabt, schien er sich bereits im Alter von sechseinhalb Jahren in seiner heiklen Rolle als Sohn Ludwigs XIV unwohl zu fühlen, eine Haltung, die er sein ganzes Leben hindurch bewahren sollte. Er war als einziges Kind aufgewachsen, da zwei kleine Prinzessinnen gleich nach der Geburt gestorben waren. Eine von ihnen sollte, wie man sich erzählte, schwarz wie eine Mohrin gewesen sein, da die Königin »zuviel Schokolade getrunken hatte, während sie sie erwartete«.
Angélique stellte still für sich fest, dass ihre Söhne mehr Anmut und Ungezwungenheit besaßen als der Erbe der Krone. Sie beobachtete sie voller Bewunderung, als sie, mit gebeugtem Knie, den Hut in der Hand, in vollendeter Haltung grüßten und nacheinander vortraten, um die Hand zu küssen, die der Dauphin ihnen scheu entgegenstreckte, während er, Ermutigung heischend, nach Madame de Montausier spähte. Und sie wusste sich vor Stolz nicht zu fassen, als Florimond in natürlichem und liebenswürdigem, aber durchaus respektvollem Ton sagte: »Monseigneur, Ihr habt da eine gar hübsche Muschel.«
Es erwies sich, dass diese Muschel die ganz besondere Gunst des Dauphins besaß, für ihn ein Kleinod ohnegleichen, das er an diesem Morgen erst höchstpersönlich im Sande des Lustgartens gefunden hatte und von dem er sich nicht mehr trennen wollte; er hatte darauf bestanden, dass man es an seinem Gewand zwischen dem Kreuz des heiligen Ludwig und dem des Großadmirals der Flotte befestige – eine Laune, der die Hofdamen schließlich nachgegeben hatten. Florimonds Bemerkung lenkte das Interesse des Dauphins auf seinen Schatz zurück, den er seinen neuen Freunden zugleich in allen Einzelheiten zeigen wollte. Da er nun seine Schüchternheit überwunden hatte, drängte er sie alsdann, seine Sammlung von Tonfiguren zu bewundern, seine kleine Kanone und seine schönste Trommel, die mit silberglänzender Leinwand bespannt war. Das erstaunliche Maß an Einfühlungsvermögen, das Florimond an den Tag legte, die gewandte Art, in der er Schmeicheleien anbrachte und mit den Erwachsenen umging, erfüllte seine Erzieher mit Genugtuung. Der kleine Abbé und der Hofmeister Racan warfen einander vielsagende Blicke zu, und Angélique nahm sich hochbefriedigt vor, ihnen am Abend eine Gratifikation von dreißig Ecus zukommen zu lassen.
Mittlerweile fanden sich, wie vereinbart, die Königin, ein Dutzend ihrer Damen und einige Edelleute ein. Nachdem jedermann seine Reverenz erwiesen hatte, wurde Cantor aufgefordert, vor der Monarchin zu singen. Da freilich gab es eine kleine Panne in dem sonst so vollkommenen Ablauf der Vorstellung, denn der Knabe begann sein Lieblingslied zu präludieren:
»Der König lässt die Trommel schlagen,
will seines Hofes Frauen
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