Angelique und der Koenig
anzünden, obwohl es Mittag ist. Ich kann kaum Euer Gesicht erkennen. Kommt zum Fenster, damit ich Euch betrachte.«
Sie folgte ihm gehorsam, und als sie in der Nische des Fensters standen, an dem der Regen herabrann, fuhr er fort:
»Es fällt mir schwer, zu glauben, dass Monsieur du Plessis den Reizen seiner Frau wie dem Gebrauch, den sie von ihnen macht, so gleichgültig gegenübersteht. Es muss an Euch liegen, Madame. Warum wohnt Ihr nicht im Hause Eures Gatten?
»Monsieur du Plessis hat mich nie dazu aufgefordert«, erwiderte Angélique.
»Merkwürdige Manieren! Kommt, Bagatellchen, erzählt mir doch, was sich in Fontainebleau zugetragen hat.«
»Ich weiß, dass mein Verhalten unentschuldbar ist, aber mein Gatte hatte mich schwer beleidigt... in aller Öffentlichkeit.«
Sie sah unwillkürlich auf ihr Handgelenk hinunter, das noch aufschlussreiche Spuren der Kränkung trug. Der König ergriff die Hand, betrachtete sie, sagte jedoch nichts.
»Ich hatte mich in einen abgeschiedenen Winkel gesetzt. Ich war tief unglücklich. Monsieur de Lauzun kam vorüber…«
Sie erzählte, wie Lauzun sich bemüht hatte, sie zu trösten, zuerst mit Worten, dann auf konkretere Weise.
»Es ist ungemein schwer, den Angriffen Monsieur de Lauzuns zu widerstehen, Sire. Er ist sehr raffiniert. Man mag noch so sehr gewillt sein, sich zu entrüsten oder sich zu wehren – unversehens befindet man sich trotzdem in einer unmöglichen Situation, der man sich nicht entziehen kann, ohne die größte Verwirrung anzurichten.«
»Aha! So also geht er vor…«
»Monsieur de Lauzun hat soviel Erfahrung. Er ist durchtrieben, skrupellos, aber im Grunde doch ein herzensguter Mensch. Nun, Euer Majestät kennt ihn ja besser als ich.«
»Hm!« machte der König verschmitzt. »Es kommt darauf an, in welchem Sinn Ihr es meint, Madame.«
»Ihr seid bezaubernd, wenn Ihr errötet«, fuhr er fort. »Ihr besteht aus höchst reizvollen Gegensätzen. Ihr seid schüchtern und forsch, heiter und ernst… Kürzlich besuchte ich die bereits eingerichteten Gewächshäuser, um die Blumen zu sehen, die man dort untergestellt hat. Zwischen den Tuberosen bemerkte ich eine Blume, die die Farbenharmonie störte. Die Gärtner wollten sie herausreißen. Es sei ein wilder Schössling, erklärten sie. Sie war jedoch ebenso leuchtend wie die übrigen, und dennoch anders. An diese Blume werde ich erinnert, wenn ich Euch unter meinen Damen sehe... Und jetzt bin ich unsicher geworden und möchte meinen, dass das Unrecht auf seiten Monsieur du Plessis’ liegt…«
Der Monarch zog die Augenbrauen zusammen, und sein eben noch so heiteres Gesicht verfinsterte sich.
»Dass er für brutal gilt, hat mir immer missfallen. Ich wünsche an meinem Hof keine Edelleute, die bei Fremden den Eindruck erwecken könnten, dass die französischen Umgangsformen plump oder gar barbarisch seien. Die Höflichkeit Frauen gegenüber gilt mir als ein für den guten Ruf unseres Landes unentbehrliches Erfordernis. Stimmt es, dass Euer Gatte Euch schlägt, sogar in aller Öffentlichkeit?«
»Nein!« behauptete Angélique störrisch.
Der König sah sie nachdenklich an.
»Nun, wie dem auch sei, ich glaube, dem schönen Philippe wird ausgiebige Gelegenheit zum Nachdenken zwischen den Mauern der Bastille ganz guttun.«
»Sire, ich bin gekommen, um Euch zu bitten, ihn freizugeben. Befreit ihn aus der Bastille, Sire, ich beschwöre Euch!«
»Ihr liebt ihn also? Und dabei hatte ich den Eindruck, dass Euch Eure Ehe mehr bittere Erinnerungen als beglückendes Zusammensein beschert habe. Ihr kennt einander wenig, wie man mir sagt?« antwortete der König.
»Wenig, aber seit langem. Er war mein großer Vetter… als wir Kinder waren…«
Sie sah ihn vor sich mit seinen blonden Locken über dem Spitzenkragen, in jenem himmelblauen Gewand, das er getragen hatte, als er zum ersten Mal auf Schloss Sancé erschienen war. Sie lächelte, den Blick zum Fenster gewandt. Der Regen hatte aufgehört. Ein Sonnenstrahl drang zwischen zwei Wolken hervor und ließ die marmornen Fliesen aufleuchten, über die eben eine von vier Rappen gezogene Kutsche fuhr. Ein Abglanz des Lichtstrahls glitt über Angéliques Gesicht.
»Damals schon weigerte er sich, mich zu küssen«, seufzte sie, »und er fächelte vor Abscheu mit seinem Spitzentaschentuch, wenn wir uns ihm näherten, meine kleinen Schwestern und ich.«
Sie musste lachen. Der König musterte sie prüfend. Er wusste, dass sie schön war, aber zum ersten Mal sah er sie aus solcher Nähe.
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