Angelique und der Koenig
die Lebenskräfte untergräbt. Und Ihr habt es nötig, Euch all Eure Kräfte zu erhalten.«
»Um auf die Ankunft Eurer Mumia zu lauern?« spöttelte sie.
»Dafür und auch für andere Dinge«, erwiderte der alte Mann freundlich. Bevor sie ihm eine sarkastische Antwort geben konnte, war er geräuschlos hinausgehuscht.
»Offenbar hat er in den fremden Ländern, in denen er seine Drogen verkaufte, auch gelernt, wie ein Geist aufzutauchen und zu verschwinden«, dachte sie. »Aber er ist immerhin amüsant…«
Ein Weilchen später fand sie sich mit Mademoiselle de Brienne an ein und demselben Spieltisch zusammen.
»Was habt Ihr von dem kleinen Apotheker erlangen können?« fragte das junge Mädchen sie gespannt.
»Hat er Euch seine Unterstützung zugesagt? Er soll es ja noch besser als die Hellseherin Maivoisin verstehen, aus der Ferne zu beeinflussen.«
Angélique beschränkte sich darauf, lächelnd die Karten zu mischen. Mademoiselle de Brienne war eine hübsche Person, brünett, pikant, ein wenig exaltiert und vor allem sehr unerzogen. Seit ihrer Kindheit lebte sie am Hofe, was bedeutete, dass ihr Spatzengehirn mit einer mehr als fragwürdigen Moral getränkt war. Das Spiel, das Trinken und die Liebe waren für sie ein ebenso harmloser Zeitvertreib wie das Sticken und Spitzenklöppeln für die Bürgermädchen. Im Spiel gegen Angélique verlor sie an diesem Tage zehntausend Livres. Bekümmert gestand sie, dass sie sich die Summe nicht sofort verschaffen könne.
»Ich habe Euch ja gesagt, dass dieser verflixte Apotheker Euch Glück bringen werde«, meinte sie und verzog ihr Gesicht wie ein Kind, das im Begriff ist zu weinen. »Was könnte ich ihm denn versprechen, damit er sich auch meiner annimmt? Da habe ich nun in einer einzigen Woche annähernd dreißigtausend Livres verloren. Mein Bruder wird wieder schön schimpfen und behaupten, dass ich ihn ruinierte…«
Da Angélique nicht gesonnen war, ihr allzu lange Kredit zu gewähren, schlug sie vor:
»Soll ich Euch mein Amt als Konsul in Kandia abtreten? Ich wollte es ohnehin verkaufen. Es ist vierzigtausend Livres wert.«
Bei dem Wort »Amt« hatte Angélique aufgehorcht.
»Konsul?« wiederholte sie.
»Ja.«
»In Kandia?«
»Es ist eine Insel oder eine Stadt, glaube ich«, belehrte sie Mademoiselle de Brienne.
»Wo liegt sie denn?«
»Ich habe keine Ahnung.«
»Aber kann eine Frau denn Konsul sein?«
»Freilich. Ich bin es seit drei Jahren. Es ist ein Amt, das nicht unbedingt den ständigen Aufenthalt an Ort und Stelle erfordert, andererseits aber einen gewissen Rang bei Hofe mit sich bringt, wo zu leben jedweder Konsul, selbst einer im Frauenrock, berechtigt, ja sogar verpflichtet ist. Als ich es kaufte, hoffte ich außerdem auf erhebliche Einkünfte. Leider habe ich mich darin getäuscht. Die beiden Geschäftsführer, die ich dort drunten einsetzte, sind Strolche, die alles in die eigene Tasche streichen und mich zudem noch ihre Repräsentationskosten bezahlen lassen. Eigentlich sollte ich Euch das gar nicht erzählen, da ich Euch doch vorgeschlagen habe, mir das Amt abzukaufen, aber ich bin nun einmal schrecklich dumm. Und vielleicht stellt Ihr es geschickter an. Vierzigtausend Livres, das ist nicht teuer. Mir hilft es aus dem Gröbsten heraus, und ich könnte meine Schulden bezahlen.«
»Ich will es mir überlegen«, sagte Angélique.
Sie ließ sich bei Monsieur Colbert anmelden und entschuldigte sich zunächst, dass sie ihn belästige. Aber da sie im Begriff sei, das Amt des Konsuls in Kandia zu erwerben, und wisse, dass der Herr Minister die Vergebung dieser Posten beaufsichtige, bäte sie ihn um seine Meinung. Colbert, der hinter seinem Schreibtisch ärgerlich die Stirn kraus gezogen hatte, wurde allmählich zugänglicher. Es geschah selten, dass die flatterhaften Schönen des Hofs die Folgen bedachten, bevor sie sich ein Amt übertragen ließen. Meistens fiel ihm, Colbert, die undankbare Rolle zu, ein wenig Ordnung in die Windbeutelei der Bittgesuche zu bringen und allzu unsinnige Anträge abzulehnen, eine Rolle, die ihm zahlreiche Feinde unter den enttäuschten Bittstellerinnen eintrug. Angélique merkte, dass ihn das Ansinnen, eine Frau zum französischen Konsul zu ernennen, keineswegs schockierte. Offenbar war es etwas durchaus Alltägliches. Nach seinem Dafürhalten war Kandia, die Hauptstadt Kretas, der beste Sklavenmarkt des Mittelmeers. Es war sogar der einzige Ort, an dem man sich Russen verschaffen konnte, einen kräftigen und anspruchslosen
Weitere Kostenlose Bücher