Angelique und der Koenig
Hof zu bekommen. Doch in diesem Punkt kam ihr schließlich der Zufall zu Hilfe. In Saint-Germain, wo jedermann unaufgefordert erscheinen konnte, begegnete sie eines Tages dem alten Apotheker Savary, der einst als Bittsteller zu ihr gekommen war und dem sie in Gedanken den Spitznamen »der Magier« gegeben hatte. Er schien sich inmitten der glänzenden Gesellschaft so wohl zu fühlen wie ein Fisch im Wasser. Vertraulich zwinkerte er ihr zu.
»Madame, vergesst nicht die Mumia.«
»Wann soll denn Euer Botschafter kommen?«
»Pst! Ich werde es Euch wissen lassen und Euch dann Schritt für Schritt dirigieren. Bis dahin Schweigen, Diskretion!«
Eine junge Frau rauschte in ihrer Nähe vorbei, hielt aber bei Savarys Anblick mit einem entzückten Aufschrei inne und trat rasch heran. Angélique erkannte Mademoiselle de Brienne.
»Monsieur«, sagte die Brienne leise und aufgeregt, »ich kenne Euch. Ich weiß, dass Ihr ein Wahrsager seid, so etwas wie ein Hexenmeister. Kann ich ein Geschäft mit Euch machen?«
»Ihr irrt, Madame. Ich stehe zwar in einigem Ansehen in diesem Hause, aber ich bin nur ein bescheidener Gelehrter.«
»Ich weiß«, beharrte sie, und ihre schönen Augen leuchteten wie Karfunkel, »ich weiß, dass Ihr viel vermögt. Ihr besitzt Liebestränke, die Ihr aus dem Orient mitgebracht habt. Hört zu, Ihr müsst mir unbedingt einen Schemel beim König verschaffen. Nennt mir Euren Preis!«
»Solche Dinge erwirbt man nicht mit Geld.«
»Dann werde ich mich Euch mit Leib und Seele schenken. Überlegt es Euch, Monsieur Savary. Für Euch kann das doch nicht schwierig sein. Und ich sehe kein andres Mittel, den König zu bewegen, mir einen Schemel zuzugestehen. Ich muss ihn haben, muss ihn unbedingt haben. Ich bin bereit, alles dafür hinzugeben!«
»Schon gut, schon gut! Ich werde es mir überlegen«, sagte der alte Apotheker begütigend, verweigerte jedoch die Börse, die Mademoiselle de Brienne ihm mit aller Gewalt in die Hand drücken wollte.
»In was würde ich da wohl geraten, wenn ich einwilligte?« sagte er zu Angélique, nachdem Mademoiselle de Brienne sich entfernt hatte. »Da seht Ihr wieder einmal, wie sie sind, diese hohlköpfigen Frauenzimmer! Einen Schemel! Einen Schemel im Angesicht des Königs! Das ist es, wonach sie gieren, sobald sie bei Hofe Fuß gefasst haben.«
Während er missbilligend den Kopf schüttelte, zog er aus seinen Rockschößen ein großes, kariertes Taschentuch hervor und begann die Gläser seines Lorgnons zu reiben.
»Ei, ei, Monsieur Savary, man könnte meinen, Ihr besäßet wirklich die Gabe des Behexens. Die verwöhntesten Schönheiten des Hofs werfen sich Euch zu Füßen…«
»Haltet mich nicht für einen Lüstling. Ich bin alles andere als das. Junge Frauen und vor allem junge Mädchen nehmen sich manchmal Keckheiten heraus, die sogar einen alten Seefahrer wie mich in Verlegenheit bringen. Dieses flatterhafte Ding ist noch ehrgeizbesessener als eine Haremsodaliske.«
»Habt Ihr je einen Harem kennengelernt?«
»Natürlich. Jene Damen gehörten ja, was meine Drogen betrifft, zu meinen besten Kundinnen. Oh, es war durchaus ungewöhnlich, dass ein Mann, selbst ein grauhaariger, in diese Bezirke eindringen durfte! Drei Eunuchen, den Krummsäbel in der Faust, führten mich mit verbundenen Augen hinein. Einmal sprach mich eine verschleierte Favoritin des ottomanischen Sultans Ibrahim auf französisch an. Es war ein hübsches Mädchen aus La Rochelle, das die Piraten im Alter von sechzehn Jahren geraubt hatten. Aber lasst mich nicht meine Erinnerungen auskramen, Madame. Viel wichtiger ist es, an die Mumia zu denken. Darf ich Euch an Euer Versprechen erinnern, mir Euren Beistand zu leihen?«
»Ich habe es nicht vergessen«, lächelte Angélique.
»Ich will mein möglichstes tun und werde auch keinen Schemel von Euch dafür verlangen. Aber ich fürchte, Ihr macht Euch Illusionen, was meinen Einfluss betrifft.«
Meister Savary sah sie prüfend an. »Ich bin keineswegs ein Hellseher, wie der kleine Hohlkopf behauptet«, meinte er nachdenklich, »aber ich kann Euch trotzdem prophezeien, dass Ihr einen Schemel bekommt. Freilich glaube ich nicht, dass Ihr lange irgendwo sitzen werdet, jedenfalls nicht in Versailles und auch nicht vor dem König…«
»Sollte ich jemals einen Schemel erhalten, obwohl ich nicht einmal eine Stellung bekommen kann, werde ich gewiss nicht so töricht sein, ihn freiwillig wieder aufzugeben!«
»Madame, ereifert Euch nicht. Im Orient würdet Ihr lernen, dass der Zorn
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