Angels - Meine Rache waehrt ewig
Nachbarin besser. Dennoch gab ihr der Gegenstand von Mais Ängsten zu denken.
Satan in ihrer Seele? Keine Spinnen oder Schlangen, düstere Orte oder Flugzeuge, kein Von-der-Brücke-Stürzen oder Die-falsche-Person-Heiraten, sondern der Teufel, der in ihrem Innern lauert? Woher kam das denn?
»Mein Gott«, flüsterte Kristi und erntete einen raschen, missbilligenden Blick von Ariel. »Ich meine bloß, das war ganz schön unheimlich.« Ariel runzelte die Stirn und zuckte die Achseln.
Wenn das so weiterlief, würde es Äonen dauern, bis Kristi Ariels Vertrauen gewonnen hatte. Warum machte sie sich überhaupt die Mühe? Weil Ariel Lucretias Freundin war? Na und? Und diese Sache mit dem Grauwerden – vielleicht war das ja alles nur eine Ausgeburt ihrer Fantasie.
Kristi lehnte sich zurück und zwang sich, sich auf den Unterricht zu konzentrieren. Nachdem Preston noch ein paarmal die Kreide in die Luft geworfen hatte, gab er ihnen endlich ihre Abhandlungen zurück und stellte die nächste Aufgabe.
Später sammelte Kristi ihre Sachen zusammen und verließ das Gebäude, nur einen Schritt hinter Ariel. Es war noch wärmer geworden, aber das Sonnenlicht wurde nun von hohen, dünnen Wolken gefiltert, die hier und da Schatten auf den Boden warfen.
Kristi vermutete, dass sie die Gelegenheit vertan hatte, sich bei Ariel einzuschmeicheln, was sie nicht weiter überraschte. Sie war noch nie in der Lage gewesen, Freundschaft vorzutäuschen oder ihre wahren Gefühle zu verbergen. Sie konnte gar nicht zählen, wie oft man ihr schon gesagt hatte, sie trüge ihr Herz auf der Zunge. Etwas anderes lag ihr einfach nicht. Also beschloss sie, Ariel geradeheraus zu fragen, was bei ihr vorging. »Hey, Ariel!«, rief sie.
Als sie Kristis Stimme hörte, blieb Ariel abrupt stehen. »Was ist?«, fragte sie und blickte demonstrativ auf die Uhr.
»Geht es dir gut?«
»Was meinst du damit?« Sie setzte sich wieder in Bewegung, diesmal ein wenig schneller.
»Du wirkst zerstreut.« Kristi schloss zu ihr auf und versuchte nicht daran zu denken, dass sie in weniger als einer halben Stunde bei der Arbeit sein musste.
Ariel warf Kristi einen raschen Blick zu. »Du kennst mich doch gar nicht.«
»Ich sehe dir an, dass dich irgendetwas bedrückt.«
»Und
du
willst mir helfen?« Sie schaute Kristi verdutzt an, und in genau diesem Augenblick beschloss Kristi, sich ihr anzuvertrauen.
»Ich weiß, das klingt verrückt, aber … ich … ich habe oft solche Visionen … Nenn es ASW – außersinnliche Wahrnehmung – oder wie auch immer, aber ich habe das, seit ich im Krankenhaus war und beinahe gestorben bin. Die Sache ist die: Ich … kann irgendwie in die Zukunft blicken. Nicht immer, aber manchmal, und ich sehe, wenn sich jemand in Gefahr befindet.«
Ariel verschränkte die Arme und vergrub sie in ihrer übergroßen Kapuzenjacke. »Entweder bist du verrückt, oder das Ganze ist ein ziemlich seltsamer Scherz.«
»Ich meine es ernst.«
»Was willst du damit sagen? Dass ich mich in Schwierigkeiten befinde?«
»In Gefahr. Möglicherweise in lebensbedrohlicher«, antwortete Kristi ernst.
»Oh, mein Gott. Du bist verrückt. Lass mich in Ruhe.«
»Manchmal, wenn ich dir begegne, sehe ich, dass deine Haut farblos ist. Wie in einem Schwarz-Weiß-Film.«
Ariel erschauderte trotz ihrer forschen Worte. Sie trat einen Schritt von Kristi zurück und blickte sich hilfesuchend um. »Lass mich in Ruhe! Sprich nie wieder mit mir. Du hast doch irgendetwas genommen oder solltest dringend mal zum Psychiater gehen!« Kristi trat einen Schritt vor. Ariel sah aus, als würde sie gleich zu schreien anfangen. »Hau ab! Sofort!«
»Ich mache mir bloß Sorgen um dich.«
Ariel schnaubte und vergrößerte den Abstand zwischen ihnen. »Da wärst du aber die Erste«, murmelte sie verbittert und zögerte. Sie waren inzwischen am Tor zum Wagner House angekommen. Ariels Gesicht war sehr bleich. »Bleib mir vom Leib! Hörst du? Komm nicht mehr in meine Nähe, oder ich rufe die Polizei.«
Noch bevor Kristi etwas erwidern konnte, bogen Trudie und Grace um die Ecke der nahe gelegenen Bibliothek. Ariel erblickte sie und begann, heftig mit den Händen zu wedeln – wie eine Ertrinkende, die nach einer Rettungsleine greift. Ohne ein weiteres Wort gesellte sie sich zu ihren Freundinnen. Gemeinsam stiegen sie die Stufen zu dem alten Steinhaus hinauf. Kristi hatte gehört, dass Wagner House einst die ersten Siedler dieses Landstrichs beherbergt hatte. Jetzt war es ein
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