Angels - Meine Rache waehrt ewig
eine SMS , okay? Bye.«
Sie drückte das Gespräch weg und beobachtete, wie Vater Mathias, wie immer in Grübeleien versunken, zurück in die Kirche eilte und Ariel mit gesenktem Kopf in Kristis Richtung kam. Wieder einmal sah sie Ariel in verschiedenen Grautönen. Trotz des Sonnenlichts fühlte Kristi, wie ihr das Blut in den Adern gefror. Sie schluckte. Natürlich durfte sie die junge Frau nicht direkt darauf ansprechen. Ariel würde sie mit Sicherheit für durchgeknallt halten. Nein, sie musste raffinierter vorgehen. Kristi sprang die Stufen zu Adam’s Hall hinauf und schlüpfte in den Vorraum, wo sie darauf wartete, dass sich die Glastüren erneut öffneten. Eine Gruppe von fünf oder sechs Studenten betrat das Gebäude. Ariel kam einen Augenblick später. Sie blickte nicht auf, als sie in den Flur zu Dr. Prestons Seminarraum einbog, so dass sie Kristi nicht bemerkte.
Kristi folgte ihr, und sobald sich die Tür des Seminarraums hinter Ariel geschlossen hatte, trat sie selbst ein. Ariel fand einen freien Platz, und Kristi belegte einen in ihrer Nähe, ohne ihre Aufmerksamkeit zu erregen. Dr. Preston begann, die Bedeutung von Gliederung und Perspektive beim Schreiben zu erläutern.
»Lassen Sie uns über die Aufgaben von letzter Woche sprechen«, sagte Preston. Er legte sein Stück Kreide ausnahmsweise beiseite und griff stattdessen nach einem Stapel Papier. »Die Aufgabe bestand darin, zwei Seiten über Ihre verborgenen Ängste zu schreiben … richtig? Die meisten von Ihnen haben die Aufgabe gut gelöst, aber –« Er blätterte durch die Seiten, bis er die gesuchten entdeckte. »Mr Calloway hat das Thema auf eine interessante Weise behandelt. Er schreibt: ›Das hier soll ein Seminar über Kreatives Schreiben sein, aber ich kann nicht kreativ sein, wenn ich gezwungen bin, über ein bestimmtes Thema zu schreiben. Auf diese Art und Weise wird meine Kreativität – in Anführungszeichen – erstickt.‹« Preston schaute hoch und richtete den Blick auf Hiram Calloway, der ihn herausfordernd ansah. »Nun, das ist eine interessante Art und Weise, sich vor einer Aufgabe zu drücken.« Preston ließ die Augen über die anderen Seminarteilnehmer schweifen. Sie verweilten kurz bei Kristi. »Ich wäre allerdings beeindruckter gewesen, hätte Mr Calloway etwas geäußert wie: ›Ich habe mich gefühlt, als wäre ich an den Schreibtisch gefesselt, gezwungen, eine Abhandlung zu verfassen, was ich verabscheue.‹ Dafür hätte er möglicherweise die Bestnote bekommen. Doch unter den gegebenen Umständen muss er sich mit einer Zwei begnügen, weil seine Abhandlung – vielmehr die nicht vorhandene Abhandlung – originell ist.« Er lächelte. Seine weißen Zähne hoben sich von der sonnengebräunten Haut ab, und sein blondes Haar glänzte im Neonlicht. »Jetzt möchte ich Ihnen aber etwas vorlesen, das die Note Eins verdient hat. Miss Kwan ist die Verfasserin dieser Abhandlung, und ich würde sagen, sie versteht es wirklich, aus dem Bauch und anschaulich zu schreiben.«
Kristi blickte zu Mai hinüber, die das Kinn hob, als Preston zu lesen begann.
»›Ich fürchte mich vor dem Teufel. Ja, vor Satan. Luzifer. Dem fleischgewordenen Bösen. Warum? Weil ich glaube, dass er, oder wenn Sie so wollen,
sie,
in jedem von uns lauert, zumindest, da bin ich ganz ehrlich, in mir. Tief im Innern, in den tiefsten Tiefen meiner Seele. Ich bemühe mich, ihn unter Verschluss zu halten, einzusperren, aus Angst davor, was er und ich – seine Wirtin – tun könnten. Ich wage es nicht, mir den Schmerz und das Leid auszumalen, das er anrichten könnte, sollte er je losgelassen werden.‹«
Preston grinste Mai an, beinahe als würde er sie persönlich kennen. Was sollte das Ganze? »Das war nur der erste Absatz, und dennoch spüren wir den Kampf der Autorin, ihre Angst, die Sorge um ihren gespaltenen Bewusstseinszustand. In diesem einen Absatz sehen wir, dass sie noch die Oberhand hat. Sie spricht nicht von einem Ausbrechen des Teufels, sondern davon, ihn von der Leine zu lassen. Sie hat die Kontrolle über Satan und ihre Vernunft, wenn auch eine unsichere.«
Er nickte, als würde er sich selbst beipflichten. »Gut gemacht, Miss Kwan. Sie hat als Einzige eine Eins bekommen, weil sie die Einzige war, die mir das Gefühl gegeben hat, wirklich aus dem Herzen zu schreiben.«
Mai lächelte verschämt und blickte errötend auf ihr Pult, als wäre sie verlegen, aber diese Bescheidenheit kaufte Kristi ihr nicht ab. Sie kannte ihre
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