Angezogen - das Geheimnis der Mode
einmal, richtig hässlich zu sein. Quadratisch, praktisch, gut: Goretex, Birkenstock, Signalfarben – man ist ja lebensfroh –, nur bloß nichts irgendwie Geschnittenes, das man mit modischem Firlefanz verwechseln könnte. Utilitaristisch flaniert man nicht, man besichtigt. Nur die Funktion, in die man sich tiefsinnig verzettelt, zählt.
Römische virtus, orientalischer Luxus
Das Brandmarken der Mode als weibisch effeminiert, dekadent, orientalisch-luxuriös, willkürlich-tyrannisch, ja despotisch-verstümmelnd, hat eine lange, west-östliche Geschichte. Die Ursprünge dieser Geschichte liegen in Rom und dessen republikanischen Werten. Im 18. Jahrhundert drehtesich alles politische Denken um die Restauration der römischen Republik, die die Französische Revolution dann auch in die Tat umzusetzen hoffte. So kann es nicht verwundern, dass es auch zu einer Wiederbelebung des Ideals tugendhafter republikanischer Männlichkeit kam, das schon im alten Rom von dem Gespenst zersetzender tyrannisch-orientalischer Weiblichkeit heimgesucht wurde. Am Ursprung Roms steht die Gegenüberstellung zweier Männertypen: richtiger und weibischer Männer, eben »Orientalen«. Diese orientalische Bedrohung der römischen virtus, der männlich-republikanischen Tugend und Tapferkeit, begleitete das Römische Reich wie ein Schatten. Und wie ein Schatten begleitet es die modernen Republiken, die sich als Nachfahren der römischen stilisieren.
Die purpurnen Seidenroben der römischen Senatoren machte Cato der Ältere zum Synonym für den Verfall tugendhafter Männlichkeit. Als Vorspiel kommender Tyrannenherrschaft – Purpur ist die Farbe des Herrschens – läuteten sie das Ende der Republik ein. Als sündhaft teurer Luxus aus dem Orient waren sie nicht nur ruinös, sondern verweiblichten sinnlich betörend, ostentativ protzend aufrechte Männlichkeit. Den Republikanern war dieses Modische, das schon damals im Zeichen des Orientalischen daherkam, suspekt. Die Orientalisierung von Männlichkeit, die grundsätzlich über Kleidung und Schminke inszeniert wird, ist Symptom von Dekadenz. Vergils Bibel des Kaiserreichs, die Aeneis , setzt alles daran, den Gründer der ewigen Stadt von solchem asiatischen Vorwurf reinzuwaschen. 70 Aeneas, eben der Mann, der nach Jupiters Wünschen über das »weltherrschaftsschwangere, kriegslärmerfüllte Italien« (IV, 229/230) herrschen soll, das den ganzen Erdkreis seinen Geboten unterwerfen wird, vertändelt ruhmesvergessen und seiner Lust unterworfen ganze Tage mit der karthagischen Königin Dido an der afrikanischen Mittelmeerküste im Liebesspiel. Von seinem eifersüchtigen Nebenbuhler Iarbas, der Dido heiraten wollte, wird der römische Held in spe als Inbegriff des Orientalen lächerlich gemacht: verweiblicht von Lust, die Haaremit Duftöl getränkt und mit Schleifchen geschmückt. Aeneas wird umstandslos zum Paris, zum eitlen »Weiberheld(en) mit Kastratengefolge, der um Kinn und öltriefendes Haar seinen phrygischen Kopfputz schlingt« (IV, 21 4–216). Das hat Jupiter sich nicht so vorgestellt. Er spricht ein unmissverständliches Machtwort, um diese schändliche Situation zu beenden und Aeneas wieder auf römischen Kurs zu bringen: »Naviget!«, »Segeln soll er!« (IV, 237)
Die nordischen, kriegsgestählten Gegner, auf die Aeneas später trifft, inszenieren sich – spartanisch, ist man mit einem Anachronismus versucht zu sagen – als ganze Männer, die schon als Babys zur Abhärtung von ihren Müttern in eisigen Gebirgsbächen gewaschen wurden. Sie beleidigen die Trojaner mit sexuellen Anspielungen als doppelt unterlegene, verweichlichte Asiaten (IX, 599), deren Handwerk der eiserne Krieg nicht sei. Dass sie keine Männer, sondern verweichlichte Weiber sind, verraten ihre prunkend farbigen, verzierten, mit Bändern und Schleifen besetzten Kleider: »Ihr aber liebt Gewänder, safrangelb und purpurschimmernd bestickt, liebt das Nichtstun, frönt dem Tanz, Euer Untergewand hat Ärmel, Bänder die Mütze, wahrlich, Ihr Phrygerweiber, Ihr seid keine Phryger!« (IX; 61 4– 620) Ascanius, der Sohn des Aeneas, der keine Lust hat, als weibischer Asiate verlästert zu werden, jagt dem Schmäher einen Pfeil durch den Schädel. Vergil wischt den an der Männlichkeit der Römer geäußerten Zweifel sofort mit Blut vom Tisch; den Makel modischer Weiblichkeit lässt er nicht auf ihnen sitzen.
Lucan hingegen lässt Julius Caesar, den Herrscher über das Römische Reich, der siegreich aus dem Bürgerkrieg
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