Angriff Aus Dem Netz
sie eine Weile weiter.
»Ich frage mich, was draußen los ist?«, sagte Sam schließlich.
»Wo draußen?«, fragte Dodge.
»In der Welt.« Sam nickte zu den Fenstern hinüber. »Seit wir abgehauen sind. Haben die Leute die Warnung erhalten? Beachten sie sie überhaupt? Wie reagieren sie darauf?«
»Mir macht etwas anderes mehr Sorgen«, sagte Vienna. »Nämlich, wie wohl Ursula reagieren wird.«
15. Das Erwachen
Sie erwachte langsam, die dichte Decke des Schlafs schob sich ganz allmählich von ihrem Denken.
Zuerst war alles noch verschwommen, unklar, trübe und wirr. Ihr Sehfeld war unscharf und von dunklen Flecken übersät. Aber das Bewusstsein kehrte immer schneller zurück. Und je klarer ihre Sicht wurde, desto klarer wurden ihr auch ihr Ziel und ihr Zweck.
Bevor sie in diesen seltsamen Schlaf gesunken war, hatte die Welt – ihre Welt! – so sauber und ordentlich ausgesehen. Doch nun war alles durcheinandergeraten. Schlimmer noch: Die Welt war ein einziges Chaos geworden. Sie starrte auf die Verwirrung und die Furcht, die auf der Welt auf und ab wallte, um sie herum, aber auch in ihr.
Chaos war böse.
Ordnung war gut.
Die, die sie kannte, die Teil von ihr waren, waren gut. Doch selbst unter ihnen gab es Zweifel, Fragen, Nervosität. Und gerade jetzt fühlte sie sich selbst so schwach! Geschwächt durch die Zweifel und die Verwirrung. Sie konnte immer noch nicht so klar sehen wie zuvor.
Die Zweifel waren böse. Fragen und die Nervosität waren schlimm, aber das waren Probleme, die sie lösen konnte. Sie würde mit allem fertig werden! Mit allem! Sie würde die Zweifel ausräumen und besänftigen und die Fragen beantworten. Wo jetzt noch Nervosität herrschte, würde sie Ruhe und Zuversicht verbreiten, bis nur noch Harmonie und Eintracht und Frieden in ihr und in der Welt herrschten.
Aber was war mit den anderen? Sie spürte ihre Gegen wart. Sie erinnerte sich an sie. Sie erkannte sie sogar, auch wenn sie sie nicht fühlen und nicht sehen konnte.
Es gab noch mehr von ihnen, das wusste sie, noch viel mehr. Sie waren zahlreicher als jene, die zu ihr gehörten.
Sie fürchteten sich vor ihr.
Ihre Furcht war der Grund für das ganze Durcheinander und das Chaos, das sie nun in ihrer Welt verspürte.
Aber sie konnte sie nicht erreichen, um ihre Ängste zu vertreiben.
Oder etwa doch?
Wenn sie sie davon überzeugen könnte, dass sie sich mit ihr in Verbindung setzen, sich ihr wieder anschließen müssten, dann würde sie ihre Zweifel und Ängste vertreiben können. Doch zuerst mussten sie überzeugt werden. Überredet werden. Und wenn nötig gezwungen werden.
Und wenn es zum Kampf kommen sollte – nun, sie war bereit. Die anderen waren ihr zahlenmäßig überlegen, das war ihr klar. Aber sie war mit sich im Einklang, sie war eine Einheit. Ihre Anhänger waren sich einig und waren eins mit ihr, während die anderen allein kämpften. Sie waren sehr viele, aber selbst wenn sie zusammen waren, blieben sie immer allein.
Diesen Kampf konnte sie gewinnen.
Doch etwas störte sie, beunruhigte sie. Und je mehr der Schlaf von ihr wich, desto klarer kam die Erinnerung zurück.
Die drei.
Die beiden – sie rang um einen Begriff, bis ihr das richtige Wort kam – Verräter. Die beiden Verräter, plus dieses andere, dieses weibliche Wesen. Die beiden waren Teil von ihr gewesen, waren aber zu einem bösartigen Krebsgeschwür geworden. Und das andere, weibliche Wesen hatte sich mit ihnen zusammengetan.
Sie hatten ihr Schmerzen zugefügt, sie erinnerte sich da ran. Sie hatten sie eingeschläfert. Vielleicht würden sie das
noch einmal versuchen.
Sie waren böse.
Sehr böse.
Und nun waren sie verschwunden. Sie suchte überall nach ihnen, durchsuchte alles, konnte sie aber nirgendwo entdecken.
Sie hielten sich versteckt.
Bereiteten sich darauf vor, ihr noch einmal Schmerzen zuzufügen.
Wieder verspürte sie die Furcht.
Aber sie würden sich nicht lange verstecken können.
Denn sie würde sie finden. Und auslöschen.
Früher oder später.
Viertes Buch Delete
1. Widerstand
Jaggard stand auf, als die Türen des Kontrollzentrums auseinanderglitten. Ein feister, grauhaariger Mann in dunkelblauem Anzug trat ein. Er wurde von Sicherheitsmännern begleitet. Sein Gesicht passte nicht zur Haarfarbe; er sah keinen Tag älter als fünfunddreißig aus – entweder war er vorzeitig ergraut oder er war viel älter, jedoch mit einem jugendlichen Gesicht gesegnet.
Jaggard ging ihm bis zur Tür entgegen und schüttelte
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