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Angst in deinen Augen

Angst in deinen Augen

Titel: Angst in deinen Augen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tess Gerritsen
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sich der Menge, in der sie standen, überdeutlich bewusst. All diese Leute, von denen sie eingekeilt waren. „Ich bringe Sie hier raus“, sagte er. Er legte den Arm um ihre Schultern und führte sie zu seinem Auto, wobei er sich die ganze Zeit über wachsam umschaute und auf jede plötzliche Bewegung achtete.
    Erst als er sie sicher im Taurus verfrachtet hatte, gestattete er sich ein erleichtertes Aufatmen.
    „Gillis!“, brüllte er. „Du hast die Verantwortung.“
    „Wohin fährst du?“
    „Ich bringe sie in Sicherheit.“
    „Aber …“
    Sam hörte schon nicht mehr zu, sondern lenkte den Wagen bereits aus der Menge und fuhr davon.
    Nach Norden.
    Nina starrte ihn an. Die Schramme an seiner Wange, den Kalkstaub in seinen Haaren. „Mein Gott, Sam“, murmelte sie. „Sie sind ja verletzt …“
    „Ein bisschen taub auf einem Ohr, aber ansonsten bin ich okay.“ Er schaute sie an und sah, dass sie ihm nicht ganz glaubte. „Ich habe mich in letzter Sekunde in Sicherheit gebracht. Die Detonation erfolgte mit fünf Sekunden Verzögerung. Sie wurde durch das Öffnen der Tür ausgelöst.“ Er schwieg einen Moment, dann fügte er leise hinzu: „Sie war für Sie bestimmt.“
    Sie sagte nichts. Aber das war auch nicht nötig, er konnte ihr ansehen, dass sie verstanden hatte. Diese Bombe war kein Versehen. Sie, Nina, war das Ziel, das ließ sich jetzt nicht mehr länger leugnen.
    „Wir verfolgen jede Spur“, sagte er. „Yeats will Daniella noch einmal verhören, aber ich halte das für eine Sackgasse. Wir haben einen Fingerabdruck gefunden, der uns einen Hinweis geben könnte, und warten auf eine Identifizierung. Bis dahin müssen wir zusehen, dass Sie am Leben bleiben, und das heißt, dass Sie genau das tun, was ich Ihnen sage.“ Er stieß einen Seufzer aus und umklammerte das Lenkrad fester. „Das war nicht klug, Nina. Was Sie heute gemacht haben.“
    „Ich war sehr wütend. Ich wollte endlich von diesen Polizisten weg.“
    „Und deshalb stürmen Sie mir nichts, dir nichts aus dem Hauptquartier? Ohne mir zu sagen, wo Sie hingehen?“
    „Sie haben mich den Wölfen zum Fraß vorgeworfen. Ich habe ständig damit gerechnet, dass Yeats die Handschellen zuschnappen lässt.“
    „Ich hatte keine andere Wahl. Er hätte Sie so oder so verhören können.“
    Sie schwieg eine ganze Weile, dann sagte sie weich: „Natürlich haben Sie recht.“ Sie schaute geradeaus auf die Straße. „Manchmal vergesse ich wohl einfach, dass Sie Polizist sind.“
    Er stand auf der anderen Seite der Polizeiabsperrung im Dickicht der Menschenmenge und beobachtete, wie die Sonderermittler des Bombendezernats mit ihren Beweismitteltüten und gezückten Notizbüchern durch die Gegend wimmelten. Aus dem Schaden an dem Gebäude ließ sich schließen, dass die Explosion ganz anständig gewesen war. Aber natürlich hatte er es nicht so geplant.
    Zu dumm, dass Nina Cormier immer noch am Leben war.
    Gerade eben hatte er gesehen, wie sie von Detective Sam Navarro durch die Menge geführt worden war. Er hatte Navarro auf Anhieb erkannt. Schon seit Jahren verfolgte er seinen Werdegang und las alles, was er über ihn in die Finger bekam. Und mit Gordon Gillis und Ernie Takeda verhielt es sich ebenso. Es war seine Aufgabe, sich zu informieren. Es gehörte zu seinem Geschäft. Sie waren der Feind, und ein guter Soldat musste seinen Feind genauestens kennen.
    Navarro half der Frau ins Auto. Er wirkte außergewöhnlich fürsorglich, was gar nicht zu ihm passte.
    Navarro und die Frau fuhren weg.
    Es gab keinen Grund, ihnen nachzufahren; irgendwann würde sich wieder eine Gelegenheit bieten.
    Im Moment hatte er einen Job zu erledigen. Und nur noch zwei Tage Zeit dafür.
    Er zupfte an seinen Handschuhen. Und verschwand unbemerkt in der Menge.
    Obwohl im Kamin ein Feuer knisterte, war Nina bis auf die Knochen durchgefroren. Draußen dämmerte es bereits, und das letzte Licht verschwand hinter den dunklen Silhouetten der Kiefern. Der Schrei eines Seetauchers hallte gespenstisch über den See. Sie war nicht besonders ängstlich, hatte sich noch nie im Wald gefürchtet oder vor der Dunkelheit oder davor, allein zu sein. Aber heute fürchtete sie sich, und sie wollte nicht, dass Sam sie allein ließ.
    Wenngleich sie wusste, dass er es tun musste.
    Er kam, beladen mit Holz, in die Hütte zurück und begann, die Scheite neben dem Kamin zu stapeln. „Das dürfte für ein paar Tage reichen“, sagte er. „Ich habe gerade mit Henry Pearl und seiner Frau

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