Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Angst in deinen Augen

Angst in deinen Augen

Titel: Angst in deinen Augen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tess Gerritsen
Vom Netzwerk:
„Was habe ich mir bloß damals dabei gedacht, sie zu heiraten?“
    Gar nichts, hätte Nina ihm am liebsten geantwortet. Sie berührte ihren Vater am Arm. „Scheint so, als ob wir beide kein besonderes Talent hätten, uns einen Partner zu wählen. Oder was meinst du, Dad?“
    Wieder ertappte sie sich dabei, dass sie sich fragte, was Sam wohl gerade machte. Was ihn gerade umtrieb. Sie würde es ganz bestimmt nicht sein, dafür war er viel zu sehr Polizist. Und doch konnte sie, als jetzt das Telefon klingelte, die plötzliche Hoffnung, dass er es sein könnte, nicht unterdrücken.
    Einen Moment später steckte Daniella den Kopf zur Tür rein und sagte: „Es ist für dich, Nina. Das Krankenhaus.“
    Enttäuscht stand sie auf, um den Anruf entgegenzunehmen.
    „Hallo?“
    „Hallo, hier ist Gladys Power, die diensthabende Oberschwester. Entschuldigen Sie, dass wir Sie stören, aber wir haben heute Abend eine Menge Krankmeldungen und wollten Sie fragen, ob Sie nicht vielleicht einspringen könnten.“
    Es war halb elf, als Sam sein Haus betrat. Das Erste, was er registrierte, war die Stille. Die Leere. Es war ein Haus, dem irgendwie seine Seele abhanden gekommen war.
    Er knipste das Licht an, aber selbst der Schein aller Lampen konnte die Schatten nicht vertreiben. Seit fast drei Jahren war dies das Haus, das er sein Heim nannte, das Haus, in das er jeden Tag nach Feierabend zurückkehrte. Jetzt kam es ihm kalt vor, wie das Haus eines Fremden. Gar nicht wie sein Heim.
    Er goss sich ein Glas Milch ein und trank durstig. Das reichte zum Abendessen, er hatte nicht die Energie zu kochen. Er goss sich ein zweites Glas ein und trug es zum Telefon. Den ganzen Abend juckte es ihn schon in den Fingerspitzen, dieses Telefonat zu führen, aber er war bisher noch nicht dazu gekommen. Jetzt hatte er endlich die nötige Ruhe, um Nina anzurufen. Er wollte ihr das sagen, was er nicht zu sagen gewagt hatte, was er jedoch jetzt nicht länger ableugnen konnte, weder vor ihr noch vor sich selbst.
    Nina hatte ihm neue Möglichkeiten eröffnet. Ja, er hatte Angst. Ja, er wusste, wie tief er verletzt sein würde, falls sie ihn je verließ. Doch die Vorstellung, dass er sich selbst und ihr nicht einmal eine Chance gab, war einfach zu deprimierend.
    Er war eben ein Feigling gewesen. Aber das war nun ein für alle Mal vorbei.
    Er griff nach dem Hörer und wählte die Nummer von Ninas Vater.
    Nachdem es am anderen Ende der Leitung einige Male geklingelt hatte, wurde abgenommen. „Hallo?“ Es war nicht Nina, sondern Daniella, der Fitnessfreak.
    „Hier ist Sam Navarro“, sagte er. „Entschuldigen Sie, dass ich so spät anrufe. Könnte ich wohl Nina sprechen?“
    „Sie ist nicht da.“
    Der Stich der Enttäuschung, den er verspürte, verwandelte sich gleich darauf in Bestürzung. Warum war sie nicht da? Sie sollte die Nacht an einem sicheren Ort verbringen und nicht ungeschützt in der Gegend herumrennen.
    „Darf ich fragen, wo sie ist?“
    „Im Krankenhaus. Man hat sie vorhin gebeten, die Nachtschicht zu übernehmen.“
    „In der Notaufnahme?“
    „Anzunehmen.“
    „Danke vielmals.“ Seine Enttäuschung legte sich wie ein schweres Gewicht auf seine Schultern. Ach, zum Teufel. Er würde es nicht noch länger vor sich herschieben. Er würde es ihr sagen. Und zwar noch heute.
    Die Tiefgarage des Krankenhauses lag verlassen da, eine Tatsache, die Nina nicht sonderlich beunruhigte, als sie durch die Schranke fuhr. Wenn sie Nachtschicht hatte, war sie oft in dieser Garage, und es hatte noch nie irgendwelche Probleme gegeben. Schließlich gehörte Portland immer noch zu den sichersten Städten in ganz Amerika.
    Vorausgesetzt, man steht nicht auf irgendjemandes Abschussliste, erinnerte sie sich.
    Sie fuhr in eine Parklücke und saß noch einen Moment lang in der Absicht, ihre aufgescheuchten Nerven zu beruhigen, da. Sie wollte mit klarem Kopf an die Arbeit gehen. Ohne an Todesdrohungen zu denken. Oder an Sam Navarro. Sobald sie durch diese Tür ging, war sie nur noch Krankenschwester. Davon hingen Menschenleben ab.
    Sie öffnete die Wagentür und stieg aus.
    Ihre reguläre Schicht begann erst in einer Stunde. Um Mitternacht bei Schichtwechsel herrschte in dieser Garage Hochbetrieb, aber im Augenblick war niemand hier. Sie beschleunigte ihre Schritte. Der Aufzug lag direkt gegenüber, der Weg war klar. Nicht mehr als ein Dutzend Schritte.
    Sie sah den Mann nicht, der hinter ihr aus einem Auto stieg und nun neben ihr auftauchte.
    Aber sie

Weitere Kostenlose Bücher