Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Angst in der 9a

Titel: Angst in der 9a Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Wolf
Vom Netzwerk:
der Soße?«
    »Du denkst nur ans Essen. In meinem Kopf dreht es sich um höhere Werte.«
    »Da bin ich gespannt.«
    »Ich überlege gerade, ob wir Kanter-Ranke nicht mal ein bisschen auf den Zahn fühlen.«
    »Der tauben Nuss? Weshalb denn?«
    »Überleg doch mal, du Vielfraß! Er ist in der 9a!« »Tatsächlich! Hatte ich ganz vergessen.« Klößchen schob sich einen halben Hering hinter die Zähne. »Wenn ich den sehe, denke ich immer an Vorschule oder Kindergarten.« »Dumm ist er nicht.«
    »Ph!«, meinte Willi. »Dumm bin ich auch nicht. Aber wie sehen meine Zeugnisse aus! Selbst für einen Analphabeten (jemand, der weder lesen noch schreiben kann) wären die eine Schande.«
    Er gab einen röchelnden Laut von sich, weil er den Hering im Stück verschluckt hatte.
    Als er zu husten begann, klopfte ihm Tarzan kräftig auf den Rücken.
    »Jetzt ist er unten«, schnaufte Klößchen. »Aber er hat sich gewehrt – und noch die Flossen gespreizt.«
    »Wenn du die zweite Teekanne auch allein leerst, hat dein Hering einen prächtigen Swimmingpool, in dem er heute Nacht seine Runden dreht.«
    »Gute Idee. Weshalb willst du mit dem Waschlappen reden?«
    »Weil er in der 9a ist! Denkst du eigentlich mal nach? Weil er uns sagen wird, was da läuft. Gegen die Mübo, meine ich. Und warum?«
    »Ob er uns das verrät?«, zweifelte Klößchen.
    »Den brauchst du nur drohend anzusehen«, meinte Tarzan verächtlich, »und er verrät dir alles.«
    Ulrich Kanter-Ranke saß drei Tische entfernt. Er redete mit niemandem, knabberte an einer Heringsgräte herum und hatte Spuren saurer Sahne im Mundwinkel.
    Tarzan wartete, bis der Junge aufstand. In schlaffer Haltung trollte er sich zum Ausgang.
    Tarzan und Klößchen folgen ihm.
    Klößchen hatte nur drei Portionen verputzt, was er mit undeutlicher Stimme bedauerte, denn er kaute noch. Als Wegzehrung hatte er sich heimlich vier große Pellkartoffeln unter den Pullover gesteckt.
    »Verflixt!«, mümmelte er. »Die Dinger sind heiß. Nachher habe ich Brandblasen am Bauch.«
    Sie holten den Jungen ein.
    Unschlüssig stand er beim schwarzen Brett, als wisse er nicht, wohin er sich wenden sollte.
    »Ich wollte dich schon lange was fragen«, sagte Tarzan. »Hast du einen Moment Zeit?«
    »Klar. Worum geht’s denn?«
    Immer noch klebte ihm die saure Sahne im Mundwinkel. »Das können wir hier nicht besprechen. Kommst du mit in unsere Bude?«
    »Gern.«
    Sie liefen die Treppe zum zweiten Stock hinauf. Im ADLERNEST setzte sich Ulrich auf Tarzans Schemel.
    Klößchen bot Schokolade an, und Ulrich griff zu, als hätte er vor drei Tagen zum letzten Mal gegessen.
    »Was hältst du von der Müller-Borrello?«, fragte Tarzan.
    »Von der Mübo? Was ich von ihr... Hm. Ich weiß nicht. Eigentlich ist sie ja... Im Grunde habe ich darüber noch nicht nachgedacht.«
    »Kann man sagen, dass sie eine sehr nette Person und eine großartige Lehrerin ist?«
    Ulrich rutschte auf seinem Sitz hin und her. »Ja. Doch. Ich glaube, du hast Recht.«
    »Wer denkt das noch in deiner Klasse? Schließlich ist sie eure Klassenlehrerin und ihr müsstet es wissen.«
    »Hm. Ich weiß nicht. Einige. Vielleicht die meisten. Darüber habe ich noch mit keinem gesprochen.«
    Tarzan unterdrückte seinen Unmut. Um einer Stellungnahmeauszuweichen, dachte dieser Jammerlappen über nichts nach – und sprach auch mit keinem.
    »Man könnte also sagen«, fuhr Tarzan fort, »die meisten aus der 9a mögen die Mübo. Aber das hält die Klasse nicht davon ab, die Frau fertig zu machen. Jeder macht mit. Auch du, Ulrich, schließt dich nicht aus. Ihr seid der schlimmste Haufen der Schule. Ihr terrorisiert die Mübo. Ihr tut alles, dass sie irgendwann vor Angst die Nerven verliert. Das ist die größte Gemeinheit, die ich bisher an dieser Schule erlebt habe. Und ich bin nicht erst seit gestern hier. Jetzt verrat mir mal, was da läuft!«
    Ulrich saß mit hängenden Schultern da. Sein weichliches Gesicht drückte Verständnislosigkeit aus.
    »Was meinst du, Tarzan?«
    »Du sollst mir sagen«, fuhr Tarzan ihn an, »warum ihr die Frau schikaniert.«
    »Wie? Ach so. Keine Ahnung. Ich meine, ich kenne den Grund nicht. Bettger und Drechsel wollen das so. Die andern machen mit. Wäre ja hirnverbrannt, sich gegen die aufzulehnen. Und inzwischen... ja, inzwischen macht es den meisten schon Spaß. Mir aber nicht«, setzte er eilig hinzu. »Ich bin auch sehr zurückhaltend. Ich meine, eigentlich tue ich gar nichts.«
    »Die Klasse wird also von Bettger

Weitere Kostenlose Bücher