Angst in der 9a
riskieren. Irgendein schlauer Bulle (Polizist) könnte den Zusammenhang wittern.«
»Dein Sohn müsste Prügel kriegen«, erwiderte Borrello. »Dümmer geht’s nicht! Trinkt aus ner angebrochenen Flasche, die er in einem geklauten Wagen findet!«
»Na ja, er hat sich nichts dabei gedacht. Nochmal macht er das bestimmt nicht.«
Quietschend bewegte sich das Tor auf den Rollen. Seibolds vierschrötige Gestalt stapfte heran.
Vor dem helleren Hintergrund der Straße hoben sich die Silhouetten (Umrisse) dreier Männer deutlich ab.
Auch das noch!, dachte Tarzan. Wieder mal eine erdrückende Übermacht.
Seibold machte Licht. Eine Lampe an der Wand über der Stahlblechtür flammte auf.
Borrello, Friedhelm Wagner und Bernd Krause kamen näher.
»Außerdem«, sagte Seibold, »ist es unerhört, so was Giftiges in eine Schnapsflasche zu füllen.«
»Kannst ja den Urheber verklagen.« Borrello ließ seine Zigarette fallen und trat sie sorgfältig aus. Vielleicht fiel ihm ein, dass er sich hier auf Werkstattgelände befand und wegen der Benzingase allerhand passieren konnte.
»Jedenfalls«, setzte er halblaut hinzu, »bringen wir die Wagen sofort zu mir. Wenn die Bullen bei dir Haussuchung machen, ist es zu spät. In meinen Fuhrpark kann ich die Kisten einreihen. Das fällt keinem auf.«
Sie wandten sich zum Schuppen. Seibold ging voran. Das Tor war geschlossen. Erst wer unmittelbar davor stand, würde merken, was los war.
Tarzan spähte über den Bretterstapel.
Jetzt hatte Seibold den Schuppen erreicht. Er hielt einen Schlüssel in der Hand und beugte sich vor. Plötzlich verharrte er. Er schien seinen Augen nicht zu trauen.
Tarzan konnte sich ausmalen, was der Ganove empfand.
»Antonio!«, krächzte er. »Das... Hier war wer! Das Schloss ist aufgebrochen. Die Wagen sind noch da. Aber man hat sie entdeckt.«
»Was?«
Borrello stürmte zu ihm. Friedhelm und Bernd folgten.
Entgeistert starrten alle auf das Schloss.
»Da hat jemand entdeckt, was sich hier tut«, sagte Seibold mit Grabesstimme. »Und jetzt hängt er am Telefon und verständigt die Bullen. Und ich kann nicht mal abhauen, weil mein Junge im Krankenhaus liegt. Und ich meine Alte zu Hause habe. Und ich nichts mitnehmen könnte. Es ist aus, Antonio! Pech gehabt. Wir haben den Bogen überspannt. Jetzt sind wir geliefert. Ist nur noch eine Frage der Zeit, bis die Bullen aufkreuzen. Ich gehe nach Hause und lasse mich voll laufen. Wird wohl das letzte Mal sein – für längere Zeit.«
Borrello feuerte eine Salve italienischer Flüche über die Lippen, dass die Luft sich erhitzte.
»Mach, was du willst«, zischte er dann. »Ich kann abhauen. Mich hält hier nichts. Ich will sowieso zurück. Arrivederci, signori (A uf Wiedersehen, meine Herren)!«
»Und wir?«, heulte Friedhelm. »Wir können nicht abhauen. Aber wir sind genauso beteiligt. Wir haben die Schlitten geknackt und hergebracht.«
»Niemand wird euch verraten«, sagte Seibold. »Ich nehme alles auf mich. Auch meinen Sohn lasse ich draußen. Niemand außer mir... Verdammt, das glauben die Bullen nie! Und wie und wo habe ich die Schlitten verscherbelt? Was soll ich da sagen?«
»Du glaubst doch nicht im Ernst«, antwortete Borrello mit ruhiger Stimme, »dass der Einbruch zufällig erfolgte. Wer hier nachgesehen hat, ist uns seit Langem auf der Spur. Der kennt jeden von uns. Dich, deinen Sohn, mich, Friedhelm, Bernd und sogar unseren Nachwuchs Bettger und Drechsel. Rausreden kann sich keiner. Es gibt nur eins, bevor die Bullen zugreifen: Abhauen!«
Das war das Stichwort. Alle – außer Seibold – machten kehrt und rannten zur Straße.
Friedhelm und Bernd überkugelten sich fast, als sie in Borrellos Wagen sprangen.
Mit kreischenden Reifen schoss der Ferrari davon.
Seibold ließ sich Zeit. Er löschte das Licht, tappte zur Straße, schloss das Tor und brachte das Vorhängeschloss wieder an – wie die Jungs am Klirren hörten.
Ohne Hast fuhr der Porsche ab.
»Uff!«, sagte Klößchen. »Mir war übel vor... äh... weil ich mich beim Rennen überanstrengt habe. Jetzt ist mir ganz kodderig, weil ich dieses Elend erlebe. Der Alte kann mir Leid tun.«
»Hier ist Mitleid nicht angebracht«, sagte Tarzan. »Aus Habgier hat er viele Wagen gestohlen und umfrisiert. Versetzdich mal in die Lage der Bestohlenen. Dann vergeht dir das Mitleid. Dass er jetzt keinen Ausweg sieht, liegt in der Natur der Sache. Vorher hätte er sich das überlegen sollen. Niemand hat ihn gezwungen, seine
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