Angst in der 9a
Bretterzaun geglotzt.«
»Ja, und?«
»Was tat Seibold?«
»Der King?«
»Ja, der!«
»Er... na ja, er hatte die Flasche. Friedhelm wollte wissen, ob Schnaps drin sei und... «
»Das meine ich nicht. Denk an das, was Seibold zuerst tat. Er holte eine Flugtasche aus dem Gebäude, untersuchte den Inhalt, den er offensichtlich nicht kannte, fand einen Pullover, eine Gartenschere und Handschuhe. Das und die Tasche landeten in der Abfalltonne. Nur die Flasche, die auch in der Tasche war, behielt er. Kapierst du noch nicht?«
»Du... du... meinst«, stotterte Klößchen. »Er hat... die Tasche... Sie stammt, meinst du, aus einem gestohlenen Wagen?«
»Na, endlich!«
»Aber dann... Das hieße ja, das gestohlene Fahrzeug ist bei den Seibolds.«
»Je länger ich darüber nachdenke, Willi, um so sicherer bin ich: Die Seibolds frisieren gestohlene Autos um. Sie lackieren sie mit einer anderen Farbe. Sicherlich entfernen sie auch die Nummern, mit denen das Herstellerwerk den Motor und das Fahrgestell versieht. Neue Nummern werden eingeprägt. Dazu kommen gefälschte Kfz-Papiere und andere Kennzeichen sowieso. Dann lässt sich der Wagen leicht über die Grenze fahren – irgendwohin ins Ausland, wo sicherlich der Käufer schon wartet. Willi, begreifst du! Wir sind den Autodieben auf der Spur. Ach was, entdeckt haben wir sie. Entsinn dich, wie der alte Seibold den Borrello in den großen Schuppen geführt hat. Wie schön die gewordenwären, hieß es. Damit waren Autos gemeint! Gestohlene! Die Seibolds besorgen das Umfrisieren. Und Borrello den Verkauf. Auch Friedhelm, Bettger und Drechsel durften in den Schuppen und sich die Schlitten, wie Seibold sagte, ansehen. Das bedeutet: Sie wissen Bescheid. Sie gehören zur Bande. Wahrscheinlich kundschaften sie aus, wo geeignete Fahrzeuge stehen. Das Aufknacken, Kurzschließen und Stehlen übernehmen dann vermutlich die älteren Rocker. Ich meine: der King und Friedhelm. Vielleicht auch Bernd Krause. Geklaut wird immer nachts. Das stand in der Zeitung. Die Fahrzeuge werden zur Lagerhausstraße gebracht und bei den Seibolds versteckt. Sobald die Benzinkutschen ihr Aussehen verändert haben, übernimmt Borrello das Weitere.«
»Mann!«, sagte Klößchen. »Das ist stark. Mich haut’s um! Ich glaube, ich muss mich verflüssigen.«
»Aufs Klo kannst du nachher. Mach dir mal klar: Der King findet die Tasche in einem der Wagen. Dessen Besitzer wollte offenbar zu seinem Garten fahren, um dort zu arbeiten, vielleicht bei seinem Ferienhaus. Deshalb Gartenschere, Handschuhe und das Pflanzenschutzmittel in der Schnapsflasche! Normalerweise hätte die Giftbrühe niemandem geschadet. Der Besitzer wusste ja, dass er aus dieser Flasche nicht trinken darf. Aber der blöde Seibold nimmt einen Schluck, nur weil auf dem Etikett steht, dass die Flasche Wodka enthalte.«
»Tut mir Leid«, meinte Klößchen. »Ich muss trotzdem verschwinden.«
Als er zurückkam, waren Fenster und Vorhang geschlossen. Tarzan hatte sich angezogen – Jeans und dunklen Pullover. Gerade schnürte er seine Turnschuhe zu.
»He!«, staunte Klößchen. »So gehst du doch nicht etwa ins Bett?«
»Glaubst du, ich könnte jetzt ein Auge zumachen?« »Wohin willst du?«
»In die Lagerhausstraße.«
Klößchen nickte. »Das wird wieder mal eine kurze Nacht. Egal, ich komme mit. Du willst sehen, was in dem Schuppen ist, wie?«
»Ich bin zwar überzeugt von meiner Theorie, aber ich brauche Gewissheit.«
Klößchen zog sich an und steckte seine Taschenlampe ein. Vorsichtig öffnete Tarzan die Tür.
Im Flur brannte nur die Notbeleuchtung. Man konnte kaum etwas sehen.
Leise schlichen die beiden zur Schwingtür. Dahinter lag das Flurfenster.
Während Klößchen wartete, hastete Tarzan auf leisen Sohlen die Treppe zum Speicher hinauf.
Dort hatten sie ihre Strickleiter versteckt, auf einem Balken, hinten in der Ecke.
Die Strickleiter gehörte Klößchen und war schon ziemlich schmuddelig, weil sie häufig benutzt wurde.
Wenn Tarzan nachts allein türmte, genügte ihm ein dünnes Seil, an dem er mit affenartiger Gewandtheit hinauf- und hinunterkletterte. Denn der Eingang des Hauptgebäudes war um diese Zeit längst verschlossen.
Aber für Klößchen war diese Akrobatik unmöglich. Er brauchte die Strickleiter.
Sie öffneten das Flurfenster.
Ein kleines Stück entfernt sprang die Mauer vor. Hier begann das Nebenhaus. Wilder Wein rankte sich im Winkel und an einige Stellen hatte Hausmeister Mandl feste Haken in die Mauer
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