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Angst - Kilborn, J: Angst - Afraid

Titel: Angst - Kilborn, J: Angst - Afraid Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Kilborn
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konnte sie nichts erkennen. Sie fing an, die Kacheln zu zählen. Sechs sollten genügen, um sie aus dem Mädchenbereich zu bringen, und nach weiteren vier würde sie wahrscheinlich über der Umkleide der Jungen sein. Aber wo genau, wusste sie nicht.
    Es fiel ihr leicht genug, die Latten entlangzurobben, auch wenn man es kein Vergnügen nennen konnte, denn sie waren nicht breiter als fünf Zentimeter und stachen ihr in die Knie und die Handflächen. Außerdem konnte sie sich weder ausstrecken noch ausruhen.
    Nach vier Kacheln begannen ihre Muskeln und ihr Nacken zu schmerzen und sich zu verkrampfen. Sie hielt inne, um sich zu entspannen. Sie ließ den Kopf in der heißen, stickigen Luft kreisen. Dann drückte sie den Rücken durch und tastete sich weiter die Latte entlang.
    Ihre Hand spürte etwas, das knochig und weich zugleich war und Fell trug.
    Eine tote Maus in einer Falle.
    Jessie Lee schrie auf. Sie konnte einfach nie den Mund halten, aber Mäuse ekelten sie einfach. Sie zog den Ellenbogen so rasch fort, dass sie gegen eine Stützlatte stieß, die an der Decke angebracht war. Tränen traten ihr in die Augen. Sie hatte den Musikantenknochen getroffen, so dass sich ihre Finger jetzt anfühlten, als hätte sie in eine Steckdose gelangt.
    Sie schloss die Augen und hielt den Atem an, während sie angestrengt lauschte.
    Zehn Sekunden.
    Zwanzig.
    Doch da war nichts außer der Stille.
    Keiner schien etwas gehört zu haben.
    Das Kribbeln ebbte ab, und Jessie Lee zog langsam den Arm
zurück, der die Maus berührt hatte, um sich die Hand an ihrer Hose abzuwischen. Sie konnte die Verwesung an ihren Fingern riechen - vielleicht bildete sie sich das auch nur ein - und ein Würgen nicht unterdrücken. Dann robbte sie fünfzig Zentimeter zur Seite, ehe sie sich weiter vorarbeitete.
    Nach drei weiteren Kacheln drang ein Geräusch an ihre Ohren. Eine männliche Stimme, schwach, von unten. Sie glaubte, so etwas wie »Wir führen hier Krieg« zu hören.
    Jessie Lee bückte sich tiefer nach unten und stützte sich mit der Brust auf einer Latte ab. Ihre Brüste begannen schon bald zu schmerzen, und sie konnte kaum mehr atmen, aber die Latten trugen ihr Gewicht. Vorsichtig fasste sie nach einer Kachel, hob diese langsam etwa einen Zentimeter an und schob sie dann vorsichtig beiseite.
    Nichts. Nichts außer einem gefliesten Boden und leeren Spinden.
    »Ich weiß es nicht.«
    Es war Mervs Stimme, und er klang, als würde er heulen.
    Jessie Lee legte die Kachel leise wieder an ihren Platz, drückte sich hoch und kroch zwei Kacheln weiter vorwärts.
    Unter ihr schrie Merv auf.
    Der Schweiß ließ Jessie Lees lange blonde Haare wie Spaghetti an ihrem Gesicht kleben. Außerdem zitterten ihre Hände wie Espenlaub - teils vor Anstrengung, aber hauptsächlich vor Angst. Wieder ließ sie sich auf ihre Brust herab und schielte durch einen Spalt.
    Diesmal konnte sie Merv sehen. Er saß auf einem Stuhl. Seine Brust war voller Blut, und um seinen Stuhl schwamm eine große rote Lache. Hinter ihm bemerkte sie zwei Beine, die an ihm vorbeigingen. In Schwarz gekleidete Beine. Das Gesicht konnte sie nicht sehen, aber sie vermutete, dass es sich um Taylor handelte.

    »Wo ist Warren Streng?«, fragte Taylor.
    Merv wimmerte. Der starke, selbstbewusste Mann von zuvor war verschwunden. Merv war zu einer völlig verängstigten Hülle seines früheren Selbst reduziert.
    Taylor berührte ihn mit einem kleinen schwarzen Gerät, das ein knackendes Geräusch von sich gab. Ein Elektroschocker. Merv zuckte zusammen und stöhnte.
    Jessie Lee wusste, dass sie ihr Handy hervorholen sollte, um ein Foto von der Szene zu schießen. Sie könnte es der gesamten Stadt zeigen, aber sie zitterte so wahnsinnig, dass sie fürchtete, das Gleichgewicht zu verlieren und durch die Kacheln zu brechen. Sie war nicht in der Lage, ihre Hand von der Latte zu nehmen.
    Unter ihr hatte Taylor Mervs Kopf nach hinten gezogen und hielt ihm ein Messer gegen die Kehle.
    Taylors Bewegung war weniger ein Schneiden, sondern eher ein Säbeln, als ob er einen Pfirsich aufschnitt, um den Kern zu entfernen.
    Jessie Lee biss sich auf beide Lippen, um nicht erneut aufzuschreien. Sie konnte Merv zucken sehen. Ungeheure Mengen von Blut ergossen sich über ihn und die gegenüberliegende Wand, eher er endlich auf den Boden sackte und wie ein Fisch in seinem eigenen Blut um sich schlug. Seine Handfläche traf immer wieder auf die Fliesen, und das Blut spritzte so hoch, dass es in Jessie Lees Gesicht

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