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Angst

Angst

Titel: Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Harris
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Programm. Wenn man den Hedge, die Absicherung, ausschaltete, wenn man auf die immens komplizierten mathematischen Formeln verzichtete, nach denen das Risiko abgedeckt werden sollte, dann konnte man sein Familiensilber auch gleich im vierten Rennen in Newmarket verwetten. Sicher, der Hedge zog eine Obergrenze für die Profite, aber er zog auch eine Untergrenze für die Verluste. Auch wenn man davon ausging, dass es auf der ganzen Welt keinen Fonds gab, der nicht hin und wieder in schweres Fahrwasser geriet: Wer ohne Hedge agierte, den konnte eine Serie schlechter Entscheidungen in die Pleite treiben. Bei diesem Gedanken bekam er feuchte Hände. Er hatte den Geschmack des filet mignon de veau vom Mittag im Mund. Es kam ihm hoch wie Galle. Er wischte sich mit dem Handrücken über die Stirn. Er brach buchstäblich in kalten Schweiß aus, dachte er.
    Rajamani bombardierte sie weiter. »Wir stoßen nicht nur unsere Long-Positionen in S&P -Futures ab, wir shorten S&P -Futures. Wir haben zudem unsere Position in VIX -Futures auf eine knappe Milliarde Dollar gesteigert. Und wir kaufen Puts, die extrem aus dem Geld sind und die einen derart massiven Verfall des gesamten Marktes voraussetzen, dass wir uns nur damit trösten können, dass wir sie für Centbeträge einsammeln. Außerdem …«
    Quarry hob die Hand. »Okay, Gana, danke. Ich glaube, wir haben verstanden.« Er musste schnell das Kommando übernehmen, sonst würde die Sitzung in einem Desaster enden. Er war sich darüber im Klaren, dass sie vom Handelsraum aus genau beobachtet wurden. Alle wussten, dass der Hedge nicht mehr existierte. Wie beweg liche Zielscheiben in einem Schießstand schossen über den Bildschirmen immer wieder besorgte Gesichter in die Höhe.
    »Ich mache die Jalousien zu«, sagte van der Zyl und stand auf.
    »Nein, Piet, lassen Sie sie um Himmels willen offen«, sagte Quarry scharf. »Sonst glauben die noch, wir basteln hier an einem Selbstmordpakt. Ich möchte, dass Sie lächeln, meine Herren. Also, lächeln! Das ist ein Befehl. Auch Sie, Gana. Zeigen wir der Fußtruppe, dass die Offiziere kühles Blut bewahren.«
    Er stellte die Füße auf den Couchtisch und tat so, als verschränkte er lässig die Hände hinter dem Kopf, obwohl ihm die Fingernägel so tief in die Kopfhaut schnitten, dass die Einkerbungen noch den ganzen restlichen Tag wie Narben aussehen würden. Er betrachtete die Familienfotos, die Rajamani von zu Hause mitgebracht hatte, um die Tristesse des schimmernden skandinavischen Mobiliars aufzulockern: eine große Hochzeitsgesellschaft, aufgenommen bei Nacht in einem Garten in Delhi, mit dem bekränzten, verkrampft lächelnden Brautpaar in der Mitte; der Student Rajamani nach seinem Abschluss vor dem Senatsgebäude der Universität von Cambridge; zwei kleine Kinder in Schuluniform, ein Junge und ein Mädchen, die düster in die Kamera blickten.
    »Okay, Gana«, sagte er. »Was schlagen Sie vor?«
    »Wir haben nur eine Möglichkeit: VIXAL abschalten und den Hedge wieder aufbauen.«
    »Wir sollen den Algorithmus umgehen, ohne vorher Alex zu fragen?«, sagte Ju-Long.
    »Wenn ich wüsste, wo er ist, würde ich ihn fragen, das können Sie mir glauben«, erwiderte Rajamani scharf. »Aber er geht nicht ans Telefon.«
    »Sind Sie nicht mit ihm zum Lunch gewesen, Hugo?«, fragte van der Zyl.
    »Ja. Aber mittendrin ist er rausgestürmt.«
    »Wohin?«
    »Weiß der Himmel. Hat sich ohne ein Wort davongemacht.«
    »Entschuldigung, aber diese Verantwortungslosigkeit ist wirklich haarsträubend«, sagte Rajamani. »Er wusste, dass wir ein Problem haben. Er wusste, dass wir uns heute Nachmittag wieder zusammensetzen wollten.«
    Alle schwiegen.
    »Meiner Meinung nach, aber ich möchte, dass das unter uns bleibt, hat Alex irgendeinen Kollaps erlitten«, sagte Ju-Long.
    »Halten Sie den Mund, LJ «, sagte Quarry.
    »Aber er hat recht, Hugo«, sagte van der Zyl.
    »Und Sie halten lieber auch Ihren Mund.«
    Der Holländer ruderte sofort zurück. »Okay, okay.«
    »Soll ich das ins Protokoll aufnehmen?«, fragte Rajamani.
    »Nein, verdammt, natürlich nicht.« Quarry hob einen Fuß vom Couchtisch und zeigte mit der Spitze seines eleganten Schuhs auf Rajamani. »Und Sie hören mir jetzt genau zu, Gana. Sollte gerade jetzt irgendetwas darüber bekannt werden, dass Alex in irgendeiner Weise mental unzuverlässig sein könnte, dann ist dieser Laden am Ende. Dann werden Sie dafür vor allen Ihren Kollegen da draußen, die in diesem Augenblick jede unserer

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