Angst
Bewegungen verfolgen, und vor allem vor unseren Investoren, die dank Alex einen Haufen Geld verdient haben, die Verantwortung übernehmen müssen. Und Alex wird Ihnen das nicht verzeihen. Verstehen Sie mich? Lassen Sie mich die Lage extra für Sie in vier Wörtern zusammenfassen: Kein Alex, keine Firma.«
Einige Sekunden lang hielt Rajamani Quarrys Blick stand. Dann runzelte er die Stirn und nahm die Hände von der Tastatur.
»Also«, sagte Quarry. »Da Alex nun mal nicht da ist, lassen Sie uns das Problem von der anderen Seite betrachten. Wenn wir VIXAL nicht abschalten und den Delta-Hedge nicht wieder aufbauen, wie werden dann die Broker reagieren?«
»Nach der Lehman-Geschichte sind die so scharf auf Sicherheiten«, sagte Ju-Long, »dass die uns mit Berufung auf unsere bestehenden Vereinbarungen nicht erlauben werden, weiter ohne Hedge zu handeln.«
»Ab wann müssen wir ihnen etwas Geld vorweisen?«
»Ich würde davon ausgehen, dass wir ihnen bis Börsenschluss morgen einen substanziellen Betrag an frischen Sicherheiten zur Verfügung stellen müssen.«
»Und mit welcher Summe rechnen Sie?«
»Bin mir nicht sicher.« Ju-Long bewegte seinen adrett gepflegten Schädel hin und her und dachte nach. »Eine halbe Milliarde vielleicht.«
»Insgesamt?«
»Nein, jedem.«
Quarry schloss kurz die Augen. Bei fünf Prime Bro kern – Goldman, Morgan Stanley, Citi, AmCor, Credit Suisse – waren je eine halbe Milliarde zu hinterlegen. Das ergab zusammen 2,5 Milliarden Dollar. Kein Spielgeld, keine Schuldscheine oder langfristigen Anleihen, sondern Cash pur, zu überweisen bis morgen, Punkt 16 Uhr. Nicht dass Hoffmann Investment Technologies dazu nicht in der Lage gewesen wäre. Sie handelten nur mit etwa 25 Prozent des Geldes, das die Investoren bei ihnen deponiert hatte: Den Rest brauchten sie nicht in die Hand zu nehmen. Als er das letzte Mal nachgeschaut hatte, hatten sie mindestens vier Milliarden Dollar in US -Staatsanleihen gebunkert. Die konnten sie angreifen, wann immer nötig. Aber mein Gott – was für ein kolossaler Schlag für ihre Reserven, was für ein Schritt in Richtung Abgrund …
Rajamani unterbrach Quarrys Gedanken. »Entschuldigung, Hugo, aber das ist Wahnsinn. Dieses Risikoniveau geht weit über alle Zusagen in unserem Wertpapierprospekt hinaus. Wenn die Märkte stark anziehen, dann stehen wir vor Milliardenverlusten. Wir könnten sogar bankrott gehen. Unsere Kunden könnten uns verklagen.«
»Selbst wenn wir den Handel fortsetzen«, fügte Ju-Long hinzu, »macht es wahrscheinlich keinen guten Eindruck, wenn wir den Investorenrat über das exorbitant erhöhte Risiko informieren, während wir gleichzeitig unseren Anlegern nahelegen, ein paar zusätzliche Milliarden in VIXAL -4 zu stecken.«
»Die steigen aus«, sagte van der Zyl mit Trauermiene. »Alle.«
Quarry konnte nicht mehr länger stillsitzen. Er sprang auf und lief nur deshalb nicht nervös hin und her, weil dafür das Büro einfach zu klein war. Gerade hatte er diesen Zwei-Milliarden-Dollar-Coup gelandet, und nun musste so etwas passieren. Das war einfach nicht fair. Er reckte die Arme in die Luft und verfluchte im Stillen die Götter. Weil er den Ausdruck moralischer Überlegenheit auf Rajamanis Gesicht nicht mehr ertragen konnte, wandte er seinen Kollegen den Rücken zu, stützte sich mit ausgebreiteten Armen gegen die Glaswand und starrte in den Handelsraum. Es war ihm egal, dass alle ihn sehen konnten. Er versuchte, sich einen außer Kontrolle geratenen, ungesicherten Investmentfonds vorzustellen, der den Urgewalten der globalen Märkte ausgesetzt war: dem Siebenhundert-Billionen- Dollar-Ozean aus Aktien und Anleihen, Devisen und Derivaten, die unermüdlich Tag für Tag gegeneinander fielen und stiegen und von Strömungen, Gezeiten und Stürmen in gewaltige Mahlströme getrieben wurden, die für niemand zu ergründen waren. Genauso könnte der Fonds versuchen, auf einem Mülleimerdeckel mit einem Holzlöffel als Ruder den Nordatlantik zu überqueren. Früher war es ein Wesenszug Quarrys gewesen, sich mit Wollust in Abenteuer wie dieses zu stürzen – ein Wesenszug, der bedeutete, dass man das Leben an sich für ein Glücksspiel hielt, bei dem man früher oder später verlieren musste, ein Wesenszug, der ihn früher, nur um den Kitzel der Angst zu spüren, dazu getrieben hatte, 10 000 Dollar darauf zu wetten, dass eine bestimmte Fliege auf dem Bartresen als erste wegfliegen würde. Aber heute wollte er auch behalten, was er
Weitere Kostenlose Bücher