Angst
das mit uns zu tun?«
»Um punkt neun Uhr haben wir angefangen, Aktien von Vista Airways zu shorten.«
Quarry benötigte ein paar Sekunden, um das zu ver arbeiten. »Wollen Sie damit sagen, dass wir Dschihadisten- Websites beobachten?«
»So wird man das interpretieren.«
»Das wäre sogar vollkommen logisch«, sagte van der Zyl. » VIXAL ist so programmiert, dass er das Netz nach angstbesetzter Sprache durchforstet und Marktkorrelationen beobachtet. Dafür sind solche Websites ideal.«
»Aber das wäre ein Quantensprung, oder?«, sagte Quarry. »Die Ankündigung registrieren, die Schlussfolgerung ziehen, die Aktie shorten.«
»Ich weiß nicht. Wir müssten Alex fragen. Aber VIXAL ist ein selbstlernender Algorithmus. Theoretisch entwickelt er sich die ganze Zeit weiter.«
»Anscheinend nicht weit genug«, sagte Rajamani. »Jam merschade, sonst hätte er nämlich die Fluggesellschaft warnen können.«
»Ach, kommen Sie«, sagte Quarry. »Was soll dieser frömmelnde Blödsinn. Die Maschine soll Geld machen und nicht den beschissenen UNO -Sonderbotschafter spielen.« Er legte den Kopf auf die Rückenlehne des Sofas und schaute hinauf zur Decke. Seine Augen huschten nervös hin und her. Er versuchte, die Auswirkungen zu begreifen. »Gott im Himmel. Das haut mich wirklich um.«
»Es könnte natürlich Zufall sein«, sagte Ju-Long. »Wie Alex heute Morgen gesagt hat: Unsere Short-Positionen in Papieren der Fluglinie waren nur Teil eines größeren Musters an Wetten auf fallende Kurse.«
»Schon, aber das ist trotzdem die einzige Short-Position, die wir tatsächlich verkauft haben, um den Profit einzusacken. Die anderen halten wir noch. Die Frage lautet also: Warum halten wir sie?« Er spürte, wie ihm ein Kribbeln die Wirbelsäule hinunterlief. »Ich frage mich, was VIXAL glaubt, was als Nächstes passiert.«
»Er glaubt gar nichts«, sagte Rajamani ungeduldig. »Er ist ein Algorithmus, Hugo, ein Werkzeug. Er ist nicht lebendiger als ein Schraubenschlüssel oder ein Wagenheber. Unser Problem ist, dass das Werkzeug nicht mehr zuverlässig ist und wir uns nicht mehr darauf verlassen können. Die Zeit drängt. Ich muss diesen Ausschuss förmlich darum ersuchen, die Abschaltung von VIXAL zu autorisieren, damit wir den Hedge sofort wieder aufbauen können.«
Quarry schaute die anderen an. Er hatte ein Gespür für Feinheiten, und er hatte bemerkt, dass sich die Atmosphä re im Raum fast unmerklich verändert hatte. Ju-Long sah teilnahmslos geradeaus, van der Zyl zupfte einen Fussel von seinem Jackenärmel. Sie schienen peinlich berührt zu sein. Anständige Männer, dachte er, intelligente Männer. Aber schwach. Und sie hingen an ihren Bonuszahlungen. Rajamani hatte kein Problem damit, VIXAL abzuschalten, ihn würde es nichts kosten. Aber die beiden anderen hatten im letzten Jahr jeweils vier Millionen Dollar bekommen. Er wog die Chancen ab. Nein, er war sich sicher, sie würden keinen Ärger machen. Und was Hoffmann anging: Von den Mitarbeitern der Firma waren ihm nur die Quants wichtig. Er würde ihn unterstützen, egal was er entschied. »Gana«, sagte er freundlich. »Tut mir leid, aber wir werden in Zukunft wohl ohne Ihre Dienste auskommen müssen.«
»Was?« Rajamani runzelte die Stirn. Dann bemühte er sich zu lächeln, brachte aber nur ein scheußlich steifes Grinsen zustande. Er versuchte, Quarrys Bemerkung als Witz abzutun. »Kommen Sie, Hugo …«
»Wenn es Ihnen ein Trost ist, ich hätte Sie nächste Woche sowieso gefeuert, auch ohne diese Geschichte. Aber der jetzige Zeitpunkt erscheint mir passender. Nehmen Sie es in Ihr Protokoll auf, ich bitte Sie darum.« Nach kurzer Diskussion erklärte sich Gana Rajamani bereit, seine Tätigkeit als Leiter des Risikomanagements mit sofortiger Wirkung zu beenden. Hugo Quarry dankte ihm für alles, was er für die Firma getan habe. »Was übrigens meiner Meinung nach ein Scheißdreck war. Räumen Sie bitte sofort Ihren Schreibtisch. Fahren Sie nach Hause, jetzt haben Sie ja genügend Zeit, um mit Ihren reizenden Kindern zu spielen. Um das Finanzielle brauchen Sie sich keine Sorgen zu machen. Ich schätze mich mehr als glücklich, Ihnen ein Jahresgehalt allein für das Vergnügen zu zahlen, dass ich Sie nicht mehr sehen muss.«
Rajamani fing sich schnell. Hinterher kam Quarry nicht umhin, ihm zumindest für seine Zähigkeit Anerkennung zu zollen. »Nur damit ich das auch richtig verstanden habe«, sagte Rajamani. »Sie entlassen mich, weil ich meinen Job gemacht
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