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Angst

Angst

Titel: Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Harris
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Quarry einen besonderen Reiz: nicht nur wegen der niedrigeren Steuern, auch wegen der Chance auf einen sauberen Schnitt. Er hatte nie vorgehabt, seine Familie mit in die Schweiz zu nehmen – nicht dass er seiner Frau das erzählt oder es sich gar selbst eingestanden hätte. Die Wahrheit war, dass das Familienleben einen Posten darstellte, der nicht mehr zu seinem Portfolio passte. Es langweilte ihn. Es war Zeit, zu verkaufen und weiterzuziehen.
    Quarry beschloss, das neue Unternehmen auf den Namen Hoffmann Investment Technologies zu taufen. Das sollte eine Verneigung vor Jim Simons sein, dem Urvater aller algorithmischen Hedgefonds und seinem legendären Quant-Unternehmen Renaissance Technologies auf Long Island. Hoffmann war strikt dagegen gewesen, aber Quarry hatte sich bei seiner ersten Kraftprobe mit Hoffmanns Anonymitätswahn durchgesetzt: Ihm war von Anfang an klar, dass – ebenso wie im Fall von Jim Simons – bei der Vermarktung des Produkts Hoffmanns geheimnisvoller Nimbus als Mathematikgenie eine wichtige Rolle spielen würde. AmCor stieg als Prime Broker ein und erlaubte Quarry, für eine reduzierte Managementgebühr und eine Beteiligung von zehn Prozent einige seiner alten Kunden mitzunehmen. Dann hatte Quarry Investorenkonferenzen abgeklappert, war in den USA und Europa von Stadt zu Stadt gezogen und hatte seinen Koffer durch mindestens fünfzig verschiedene Flughäfen gerollt. Diesen Teil des Jobs hatte er geliebt – als alleinreisender Verkäufer in ein fremdes Hotel mit Blick auf eine verstopfte Schnellstraße zu marschieren, um in einem klimatisierten Konferenzraum ein skeptisches, ihm völlig unbekanntes Publikum zu bezirzen. Seine Masche war, seinen Zuhörern die Ergebnisse der Tests von Hoffmanns Algorithmen vorzustellen, ihnen mit der Aussicht auf zukünftige Renditen den Mund wässrig zu machen und ihnen dann mitzuteilen, dass der Fonds schon geschlossen sei: Er sei seiner Verpflichtung, vor ihnen zu sprechen, nur aus Höflichkeit nachgekommen, aber sie brauchten kein Geld mehr, es tue ihm außerordentlich leid. Hinterher tauchten die Investoren dann in der Hotelbar auf und suchten nach ihm. Es funktionierte fast immer.
    Für die Abwicklung der Transaktionen hatte Quarry einen Mann von BNP Paribas angeheuert. Außerdem hatte er eine Empfangsdame und eine Sekretärin eingestellt und von AmCor einen französischen Anleihehändler übernommen, der wegen irgendwelcher Schwierigkeiten mit der Börsenaufsicht schnell aus London hatte verschwinden müssen. Als Quants hatte Hoffmann einen Astrophysiker des CERN und einen polnischen Mathematikprofessor rekrutiert. Den ganzen Sommer über hatten sie Simulationen durchgespielt und waren dann im Oktober 2002 mit einem Treuhandvermögen von 107 Millionen Dollar an den Start gegangen. Bereits den ersten Monat hatten sie mit Gewinn abschließen können, und seitdem war es ununterbrochen so weitergegangen.

    Quarry unterbrach seinen Vortrag, damit Leclercs billiger Kugelschreiber nicht den Anschluss verlor. Die Antworten auf Leclercs übrige Fragen lauteten: Nein, er wisse nicht genau, wann Gabrielle bei Hoffmann eingezogen sei. Ihre gesellschaftlichen Kontakte hätten sich immer in Grenzen gehalten, außerdem sei er in jenem ersten Jahr viel auf Reisen gewesen. Nein, er sei nicht auf ihrer Hochzeit gewesen, einer von diesen solipsistischen Zeremonien, die an irgendeinem Südseestrand mit zwei Hotelangestellten als Trauzeugen und ohne Familienangehörige oder Freunde über die Bühne gingen. Und nein, er habe keine Ahnung von Hoffmanns Nervenzusammenbruch am CERN gehabt, habe allerdings etwas in der Richtung geahnt. An jenem ersten Abend in Hoffmanns Wohnung, als er zum Pinkeln ins Bad gegangen sei, habe er einen Blick in dessen Arzneischränkchen geworfen – wie man das eben so mache. Dort habe er eine stattliche Kleinapotheke mit Antidepressiva vorgefunden. Mirtazapin, Lithium, Fluvoxamin. An mehr könne er sich nicht erinnern, aber es habe ziemlich ernst ausgesehen.
    »Und das hat Sie nicht davon abgehalten, ein Geschäft mit ihm aufzumachen?«
    »Warum? Weil er nicht das war, was man normal nennt? Großer Gott, nein. Um Bill Clinton zu zitieren, zugegebenermaßen nicht unbedingt für alle Lebenslagen ein Quell an Weisheit, aber in diesem Fall schon: ›Die meisten normalen Menschen sind Arschlöcher.‹«
    »Und Sie haben keine Ahnung, wo Doktor Hoffmann sich im Augenblick aufhalten könnte?«
    »Nein.«
    »Wann haben Sie ihn zuletzt gesehen?«
    »Beim

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