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Angstblüte (German Edition)

Angstblüte (German Edition)

Titel: Angstblüte (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Walser
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Verstanden?!
    Der Russe nickt. Elmar läßt das Band zurücklaufen. Der Russe liest den Text jetzt auch so. Imitiert den Drohton, mit seiner dafür geeigneteren Stimme geht es weiter.
    Der Russe: Schauen Sie um, vor Sie Autotür öffnen, nichts zu sehen. Aber vor Sie sitzen, hab ich schon gestochen. Sie wissen, warum. Frauengeschichte. Wieviel Studentinnen haben Sie so behandelt. Sie wissen es. Mir geht um eine, die ich sehr liebe. Stich passiert, wenn Tage kürzer und früher Nacht. Noch dazu: Wenn ich Sie hingerichtet, ich kann auch nicht mehr leben dann, klar. Ich töte noch die Frau, dann mich. Nur daß Sie wissen, ich mache Ernst. Schluß.
    Elmar: Nicht schlecht. Die erste Bezahlung, bitte schön. Jetzt, der zweite Brief. Lesen Sie mal.
    Der Russe liest leise. Elmar wechselt das Band.
    Der Russe, liest ins Mikro: An die Frau Museumspädagoge. Ihr Mann jetzt bald wird er gefunden an seinem Auto erstochen. Nicht klagen. Gerechtigkeit. Zu viele Studentinnen hat er auf die Couch gelegt und verlangt, die Beine breit, wenn Sie waren außer Haus. In die Bluse gegriffen. Mädchen glauben, eine Ehre und ein Vorteil, wenn der Pädagoge sie will. Haben alles gemacht, was er befohlen hat. Immer mit Spiegel. Und möchte ewig so weitermachen. Aber jetzt ist Schluß. Ein Stich, und Schluß. Muß sein. Grüßt ergebenst der Hinrichter.
    Elmar bezahlt den zweiten Brief, wechselt das Band und läßt die Briefe an den Pseudo-Dostojewskij, den Dreier-Propagandisten und den Schaum-Schwamm-Moschus-Lavendel-Fürsten lesen. Jedesmal zahlt er einhundert Euro. Dann verabschiedet er sich freundlich und geht. Er begegnet gleich zwei Polizisten. Dreht sich, als die vorbei sind, um, er will sehen, ob der Russe zuverlässig ist. Der sitzt immer noch auf der Bank und schaut harmlos ins Grüne. Elmar ist beruhigt.
    Auf der Post am Bahnhof holt er Kartons, auf seinem Computer hat er die Adressen geschrieben. Um nicht beobachtet zu werden, bringt er jetzt auf dem Ablagebrett eng an der Wand die Bänder und die Armeemesser in den Kartons unter und liefert die fünf Päckchen am Schalter ab. Daß er dafür in einer Schlange anstehen muß, ist schier nicht auszuhalten. Daß zuletzt noch eine Frau vor ihm ist, die nie mehr aufhören wird, der Schalterbeamtin Fragen zu stellen, deren Beantwortung nur mit Hilfe der nebenan arbeitenden Schalterbeamtinnen möglich ist, erbittert Elmar so, daß er glaubt, diese Unersättliche könnte er nun wirklich umbringen. Er ist diese gewöhnliche Mühsal nicht gewöhnt. Alle anderen, die in den fünf oder sieben Schlangen anstehen, bleiben ruhig und ergeben, bis sie drankommen. Es ist klar, wenn er jetzt zum Protest gegen die Unersättliche aufrufen würde, wären alle auf der Seite der Unersättlichen. Daß auch hier noch ein Polizist auftaucht, macht ihn vollends nervös. Die Mütze ins Gesicht ziehen und sich nicht mehr rühren, bis du drankommst.
     
    XIII.
    Elmar nachts in seinem Zimmer. Er ruft Ina an. Und hört: Die gewünschte Nummer ist zur Zeit nicht erreichbar. Versuchen Sie es später noch einmal. Er ruft Kraile an. Auf dem Anrufbeantworter Krailes Stimme: Wenn Sie etwas hinterlassen wollen, bitte sprechen Sie nach dem Signalton.
    Er trinkt Whisky. Hat schon getrunken. Trinkt weiter. Eine edle Flasche. Er steht auf, möchte auf und ab gehen, lieber rennen als gehen. Er landet vor seinem Diktiergerät. Er nimmt das kabellose Mikro, schaltet das Gerät ein, probiert, das Gerät nimmt auf. Er trinkt weiter. Säuft nicht, trinkt.
    Elmar: Liebe, ich erreiche dich nicht, ich bin bei dir. Ich bin bei dir, mein Schatz, ich bin nicht hier, mein Schatz, glaub doch mir, mein Schatz, daß ich nur bei dir bin und nicht hier bin, mein Schatz. Wenn du so bei mir wärst, wie ich bei dir bin, dann wär ich jetzt nicht hier, sondern bei dir. Aber du bist anderswo. Wo bist du? Jetzt! Wo? Anderswo. Wörter gibt’s, die sollte es nicht geben. Wenn’s anderswo nicht gäbe, wärst du jetzt hier bei mir.
    Er verläßt das Zimmer, das Mikro in der Hand, rennt die Treppe hinunter und hinaus und vor zum Taxistand auf dem Odeonsplatz.
    Elmar: Harlaching, Hochleite.
    Läßt früh halten, geht an den Häusern entlang, bis er mit Hilfe der Taschenlampe die Nummer und den Namen sieht: Elvis Kraile. Eine Villa, Licht im ersten Stock, ein breites Fenster, dicht verhangen. Er sucht kleinere Steine, wirft sie hinauf, sobald er hört, daß er das Fenster getroffen hat, rennt er weg, kehrt zurück, wirft noch einmal, rennt weg, sucht einen

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