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Angstblüte (German Edition)

Angstblüte (German Edition)

Titel: Angstblüte (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Walser
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warum war er nicht einfach auch an der Dietlindenstraße ausgestiegen? Weil er ein Idiot war.
    Es fiel ihm auf, daß er, weil Joni weg war, kaum einer Frau begegnen konnte, mit der er nicht hätte sein Leben verbringen wollen. Offenbar war er jetzt haltlos.

2.
    Fremd war ihm jetzt der Hochmut, mit dem er auf die Zuschauer herabsah, die Fernsehzuschauer, die der Formulierer Amadeus Quotenfutter nannte. Jetzt saß er selber vor dem Apparat, reif fürs Programm. Er brauchte es. Er wollte nichts mit sich zu tun haben. Sein Vorwand: Sonntagabend und Zu Gast bei Gundi . Danach würde er noch einmal lesen, was Erewein ihm hinterlassen hatte.
    Gundi fing ganz anders an. Kein schwarzer Schiffsbug mehr mit Inutile Precauzione , kein Fliegender Holländer mehr von Hindemith lustig heruntermusiziert, kein Ruhlmann-Sofa mehr, nichts, wie es war, dafür ein großes weißes Zelt, darin saßen Gundi und ihr Gast, saßen auf Barhockern, saßen an einem runden Bartischchen einander gegenüber. Gundi stützte ihre Ellbogen auf die runde Tischplatte, die silbern gleißte, ihr gegenüber saß Amadeus Stengl. Ihr Kinn lag auf ihren zwei kleinen Fäustchen, sie sah ihren Gast an, als sehe sie ihn zum ersten Mal. Er hielt sich mit beiden Händen an der silbernen Tischplatte fest, als brauche er, wenn er Gundis Blicken standhalten wolle, diesen Halt. Plötzlich nahm sie seine Rechte in ihre Hände. Der Tisch war so bemessen, daß das leicht möglich war. Sie stieg vom Barhocker, löste ihn von seinem Hocker und führte ihn zu dem großen, breiten Zelteingang, schon fast eher ein Tor als ein Eingang. Das war kein Zelt, das von irgendeiner Organisation der Welt aufgestellt worden sein konnte. Das war ein Zelt, das man schon im Theater oder im Film gesehen hatte. Das war historisch. Shakespeare, dachte man, wenn man dieses Zelt sah. Und es stand im Sand, auch innen, der Boden Sand, nicht einmal festgetreten. Die beiden schauten hinaus auf den sonnenbeschienenen Strand und auf das Meer, das dem Strand mit langsamen Wellen flattierte.
    Als habe sie Amadeus Stengl nur zeigen wollen, wo alles stattfinde, geleitete sie ihn jetzt wieder zurück zum Bartisch mit der Silberplatte, beide bestiegen ihre Stühle.
    Gundi rief: Cécile.
    Eine Frau, zirka fünfzig, kam aus der hinteren Zeltwand, die offenbar nur aus mehreren Vorhängen bestand. Cécile trug einen Herrenanzug in Grau.
    Gundi: Das ist Cécile. Die alles für mich tut.
    Cécile: Du hast noch nichts verlangt, was ich nicht gern getan hätte.
    Gundi: Professor Amadeus Stengl.
    Amadeus hüpft vom Stuhl, nimmt Céciles Hand, küßt sie.
    Gundi: Champagner, bitte.
    Cécile schenkt aus der bereitstehenden Flasche ein. Dann geht sie wieder durch die Rückwand ab.
    Gundi sagt: Zum Wohl, Amadeus sagt: Prosit. Sie trinken.
    Gundi in einem tomatenroten Leinenanzug, Amadeus in einem seidigen Hellviolett. Die Musik hört auf. Eine Frauenstimme hatte sich mit Jazztönen und -rhythmen gesteigert und war, als die Musik aufhörte, gerade auf dem Höhepunkt, der nur noch ein Schrei war, angekommen.
    Herr Professor, sagt Gundi.
    Amadeus: Muß das sein?
    Gundi: Ich gratuliere.
    Und reicht ihm die Hand hinüber, und er springt vom Stuhl und küßt die Hand, gibt sie zurück und steigt wieder auf den Stuhl.
    Gundi wendet sich jetzt an die Zuschauer, sagt noch schnell zu Amadeus hin: Sie kommen gleich dran. Liebe Zuschauerinnen und Zuschauer, Sie sind es inzwischen gewöhnt, daß ich Sie jedesmal in ein anderes Milieu, in eine andere Welt einlade. Und Sie erwarten mit Recht, daß das Milieu, in das ich Sie einlade, etwas zu tun habe mit dem Gast, den ich Ihnen vorstellen will. Das ist, weil ich gewöhnlich meine Gäste vor der Kamera zum ersten Mal sehe, immer riskant. Es finden vorher lange Briefwechsel statt. Sie wissen, darauf besteh ich. Und daß die Briefe dessen, der eingeladen werden will, und meine Briefe von Hand geschrieben werden, ist Bedingung. Und daß der Briefwechsel, der einer Einladung vorangeht, sich oft über viele Monate hinzieht, wissen Sie auch. Alles das ist heute anders. Zum ersten Mal habe ich einen Gast geladen, der sich prominent vorkommen darf. Ich habe einmal gesagt, daß ich es unanständig finde, Menschen einzuladen, die zu der andauernd diensttuenden Talk-Truppe der Fernsehsender gehören. Nichts ist, sage ich immer noch, so uninteressant wie jemand, den man hauptsächlich vom Fernsehen her kennt, dessen öffentliche Handlungen vor allem Fernsehauftritte sind. Der heutige Gast

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