Angstblüte (German Edition)
Epoche, Adolph Menzel, im Juni 1895 achtzig werde. Dieser geniale Künstler sei, als er im Schloß Sanssouci Skizzen gemacht habe für sein Bild, das das Flötenkonzert Friedrichs des Großen darstellt, vom damaligen Hofmarschall Friedrich Wilhelm IV., dem inzwischen verstorbenen Grafen Keller, miserabel behandelt worden. Menzel habe darum gebeten, das Musikzimmer Friedrichs des Großen so beleuchtet zu sehen, wie es beleuchtet war, als der König darin musizierte. In den zeitgenössischen Schilderungen ist überliefert, daß ein einziger Lüster, mit Kerzen bestückt, von der Decke hing. Diese Kerzen wollte der Künstler angezündet sehen. Abgelehnt. Er hat dann gemalt, was ihm verwehrt wurde. Der Flöte spielende König im Lüsterglanz, der auch noch vom spiegelnden Boden verstärkt wird. Man würdigte den Künstler keiner Antwort. Die Räume des Schlosses waren ihm nur zugänglich gewesen wie jedem zahlenden Besucher. Er mußte das Material zu seinen Skizzen in Museen und Archiven zusammensuchen. Wäre es da nicht angebracht, jenes Flötenkonzert-Bild in den Originalräumen zu inszenieren und dazu den Künstler zu seinem Achtzigsten einzuladen? Eulenburg spurte. Der Kaiser auch: Ich werde, was Preußen Menzel schuldet, bezahlen. Und tat’s. Das Gemälde wurde genau nachgestellt, der Cellist, der Geiger und am Spinett der Vorfahr selber in Maske und Kostüm Carl Philipp Emanuel Bachs, der große Friedrich, dargestellt von einem schönen jungen Musiker, Ihre Majestät als Prinzessin Amalia, Seine Majestät in der Kürassieruniform aus der Zeit Friedrichs des Großen als Generaladjutant Baron von Lentulus. Als der achtzigjährige Künstler, der nicht wußte, wozu er geladen war, zwischen den Riesengrenadieren in den historischen blauen und roten Uniformen auf das Schloß zuging, als er die langen weißen Gamaschen sah, die bis über die Knie reichten, und die vergoldeten Helme aus Blech auf den gepuderten Perücken, da wußte er, was hier gespielt wurde. Im Vestibül wurde der Künstler erwartet vom Generaladjutanten Baron von Lentulus, in dem er wohl den Kaiser erkannte. Jetzt spielte er seinerseits mit. Ich habe die Ehre, den Generaladjutanten Baron von Lentulus vor mir zu sehen. Und bat ihn, er möge Seiner Majestät, dem König, den untertänigsten Dank für diese unerwartete Ehrung überbringen. Dann wurde musiziert wie damals. Der Vorfahr durfte das Klavierkonzert des Prinzen Ludwig Ferdinand von Preußen spielen, und zuletzt überbot der Geigenvirtuose Joachim alles mit Johann Sebastian Bach.
Graf Eulenburg vergaß im Erfolgsrausch dieser Soiree nicht, wem das zu danken sei, und sorgte beim Kaiser dafür, daß Friedrich Karl Kahn am Jahresende in den erblichen Adelsstand erhoben wurde. Natürlich mußte die Presse, die davon lebt, daß immer etwas fehlt, nachher bemerken, die Menzel-Ehrung sei ja gut gemeint gewesen, aber an der Tafel seien dann eben nicht Voltaire, La Mettrie, D’Argens und Algarotti höchst geistreich übereinander hergefallen, sondern eher brave Perückenträger hätten dem Herrscherpaar Komplimente geliefert, von denen sie hofften, sie seien den Allerhöchsten Ohren noch neu.
Von da an wurde der Vorfahr immer wieder ins Eulenburgsche Schloß Liebenberg bestellt, um abends die Jagdgäste des Kaisers und diesen selbst mit Eulenburgschen Liedern zu unterhalten. Auch ins Neue Palais und ins Marmorpalais wurde er bestellt und durfte, wenn Graf Eulenburg nicht im Lande war und Seine Majestät Sehnsucht empfand nach den Balladen oder nach den Rosenliedern seines Freundes, vortragen, und Seine Majestät hatte die Noten vor sich auf den Knien und blätterte um, wenn Umblättern fällig war. Friedrich Karl von Kahn, wie er jetzt hieß, glaubte, Seine Majestät genieße es, Noten lesen zu können.
Seiner Schwester schrieb er, die Melodien der Eulenburg-Lieder hätten mehr von Schumann als die Texte von Lenau und Heine. Eine Sehnsucht nahm der Vorfahr unerfüllt ins Grab: einmal vom Reisekaiser auf der kaiserlichen Yacht Hohenzollern mitgenommen zu werden ins Mittelmeer und auf Korfu im Achilleon vor dem Kaiser und seinen Gästen singen und spielen zu dürfen.
Das Ende der Hofkarriere unseres Großvaters entsprach nicht ihrem Beginn. Sie hatte ja vernünftig und hilfreich begonnen. Aber der Vorfahr hat offenbar nicht gelernt, wie man auf die Stimmungen des Kaisers zu reagieren hatte. Der Kammerdiener, Herr Quentz, durch den sowohl Graf Eulenburg wie auch der Hofmarschall Baron von Lyncker den
Weitere Kostenlose Bücher