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Angsthauch

Angsthauch

Titel: Angsthauch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Crouch
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währenddessen den Spielplatz, der, seit Rose hier zum letzten Mal gespielt hatte, einen neuen Belag bekommen hatte, federnd und pink. Ihr steckte von damals, als sie mit sieben zu hastig die Rutsche heruntergerutscht war, immer noch ein kleines Körnchen Asphalt im Knie.
    Am Kaffeestand holte Rose eine Tasse Tee für sich und ein paar Cupcakes für ihre Töchter. Das Geschäft am Stand brummte angesichts der vielen Mütter samt Nachwuchs, die sich auf dem Spielplatz tummelten. Den Horden von Kindern mit blauen Büchertaschen nach zu urteilen, musste gerade die Schule aus sein. Einige ältere Schüler zogen rauchend in Grüppchen durch den Park. Es war ein besorgniserregender Anblick: Den Jungs hingen die Hemden aus den Hosen, die so tief saßen, dass man darunter ihre Unterwäsche sehen konnte. Die Mädchen, allesamt wohlgenährt, quollen förmlich aus ihren viel zu engen Synthetikblusen. Die Mütter mit kleineren Kindern schirmten diese instinktiv vor dem Anblick ab und warfen einander missbilligende Blicke zu. Man sah ihnen an, was sie dachten: Ihre Sprösslinge würden sich niemals zu solchen ungepflegten und sexhungrigen Kreaturen entwickelten, die den freitagnachmittäglichen Frieden im Park störten. Aber natürlich irrten sie sich. Alle schönen Dinge verdarben früher oder später. So war es auch mit der kleinen Rose gewesen, damals vor all den Jahren.
    Rose wusste, dass sie das Unvermeidliche hinauszögerte. Sie hatte von vorneherein wenig Lust verspürt, zu Lucy zu gehen und so zu tun, als seien sie beste Freundinnen. Nun, da sie tatsächlich in Brighton war, hatte sich dieser Unwille nur noch verstärkt. Ihr Spaziergang durch die Stadt hatte in ihrer Erinnerung Pfade freigelegt, die sie vor langer Zeit gesperrt hatte. Lucy war das andere Mädchen, das während der Schulzeit schwanger geworden war. Aber Lucy hatte es ausgestanden. Oder richtiger: Ihr Freund hatte es ausgestanden. Im Gegensatz zu Rose war ihre Schwangerschaft kein Geheimnis gewesen.
    Aber es wurde Zeit. Sie musste sich stellen.
    »Anna, komm!« Anna hatte sich einer Gruppe Mädchen angeschlossen, die sich auf einem niedrigen, unfallsicheren Karussell laut kreischend im Kreis drehten. Sie war selbstbewusst und kontaktfreudig und hatte auch mit einem Pflaster über dem Auge keinerlei Schwierigkeiten, Bekanntschaften zu schließen. Das war eines der sehr wenigen Dinge, die Rose in ihrem Leben als Erfolg verbuchen konnte. Dieser Gedanke brachte erneut die Erinnerung an das zurück, was sie in Gareths Atelier getan hatte. Ob er es schon gesehen hatte? Schlagartig wurde ihr übel, sie beugte sich vornüber und begann zu würgen. Alarmiert wandten einige Mütter die Köpfe und schlangen die Arme fester um ihre Kinder, für den Fall, dass Rose eine Verrückte war.
    Flossie saß in ihrem Buggy, stopfte sich Kuchen in den Mund und sah den Kindern beim Spielen zu.
    »Anna! Wir müssen los.«
    »Och, Mann!«, maulte Anna, kam aber wie immer sofort angelaufen. Gemeinsam gingen sie den steilen Hügel am nördlichen Ende des Parks hinauf, wobei sie einem Hundehaufen ausweichen mussten, der mitten auf dem Weg lag, als hielte er dort Wache.
    Oben angekommen, blieb Rose stehen, um zu verschnaufen. Sie war ein wenig außer Atem, und als sie sich unter ihrer Cordjacke das Kreuz rieb, stellte sie fest, dass es schweißfeucht war. Anna sah mit ihrem einen Auge besorgt zu ihr auf.
    »Sind wir bald da?«
    »Nur noch über die Straße.« Rose zeigte auf das Haus. Ihre Hand fiel jäh herab, als sie Polly am Erkerfenster stehen sah. Sie hatte die Arme vor der Brust verschränkt, und auf ihren Zügen stand die blanke Wut. Als sie Rose und Anna den Gehweg entlangkommen sah, verschwand sie. Rose hievte den Buggy die Stufen zum Haus hinauf, dann klopfte sie an die verwitterte rote Haustür.
    Nach wenigen Minuten erschien Polly mit einem strahlenden Lächeln im Gesicht.
    »Rose, Gott sei Dank!«, sagte sie viel zu laut. »Wir haben uns solche Sorgen gemacht.«

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    I st sie endlich da?« Eine Stimme ertönte, und gleich darauf tauchte eine Frau mittleren Alters mit ausladenden Hüften hinter Polly auf. Sie hatte ein Geschirrtuch über der Schulter und trug die Haare aus dem ungeschminkten Gesicht frisiert. Ihr Teint wirkte stumpf, ihre Haut war von zahllosen Venen und Fältchen durchzogen. Das war also aus Lucy geworden.
    »Rose, komm doch rein.« Lucy kam ihr entgegengeeilt, nahm den Buggy und schob ihn durch den schmalen Flur, der von Garderobenhaken voller Jacken

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