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Angsthauch

Angsthauch

Titel: Angsthauch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Crouch
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Rose leise zu sich selbst. Pollys Kopf schnellte in die Höhe, und sie sah Rose in der Öffnung über ihren Köpfen kauern. Doch statt die anderen darauf aufmerksam zu machen, redete sie einfach weiter, als sei nichts gewesen. Rose stand auf und ging in Mollys Zimmer, wo Polly ihre Kleider auf die Haken an der Tür gehängt hatte. Für Flossie stand ein Reisebett bereit, und Annas Plüschtiere saßen fein säuberlich aufgereiht auf einem Klappbett. Rose nahm ihr Nachthemd, das auf Mollys Bett lag, und zog es sich über den Kopf. Dann schlug sie die saubere Bettdecke zurück und rollte sich darunter zusammen. Innerhalb von Sekunden war sie in einem tiefen, traumlosen Loch versunken.
    Als sie erwachte, wusste sie weder, wie spät es war, noch, wo sie sich befand. Stück für Stück fiel ihr alles wieder ein. Sie war in Brighton, im Zimmer von Lucys Tochter. Sie hörte das säuselnde Scharchen ihrer beiden Töchter, die jemand in ihrem Zimmer schlafen gelegt haben musste. Sie kletterte aus dem Bett und trat ans Fenster. Draußen regnete es in Strömen, und die Nacht war pechschwarz. Jenseits des Gartens konnte sie die Silhouetten von Häusern ausmachen. Dort war alles dunkel, es musste also schon spät sein. Rose merkte, dass sie hungrig war, und fragte sich, ob sie das Abendessen verschlafen hatte. Leise, um die Mädchen nicht aufzuwecken, schlüpfte sie aus dem Zimmer und über den Flur. Sie hörte Stimmen aus der Küche, also blieb sie bei der kleinen Öffnung stehen und hockte sich seitlich daneben, damit niemand sie sehen konnte. Unten am Tisch saßen Lucy und Polly mit zwei jungen Leuten – einem hochschwangeren Mädchen und einem Mann, beide um die zwanzig. Der Mann kam Rose entfernt bekannt vor, sie konnte jedoch nicht sagen, woher.
    »Frank, mein Schatz, es tut mir so leid«, sagte Polly gerade. Sie beugte sich über den Tisch und legte dem jungen Mann die Hand auf den Unterarm. Er trug Jeans und ein Retro-T-Shirt, hatte ein rundliches Gesicht mit rosigen Wangen und einen Schopf dunkler Haare. Vor ihm stand eine Dose Bier. Er saß vom Tisch abgewandt, und die Art und Weise, wie er den Kopf hängen ließ, drückte tiefe Enttäuschung aus.
    »Sie ist einfach nicht in der Verfassung«, fügte Lucy hinzu. »Ganz offensichtlich hat sie schwerwiegende Probleme.«
    »Unvorstellbar, dass sie so was wirklich gemacht hat. Mit den Bildern ihres eigenen Mannes«, meinte die junge Frau.
    »Sie ist krank, Molly. Sie ist nicht sie selbst«, erklärte Polly.
    »Ich warte zwanzig Jahre darauf, sie endlich kennenzulernen, und jetzt das«, murmelte Frank und ließ den Kopf in die Hände sinken.
    Rose schnappte erschrocken nach Luft und schlug sich die Hand vor den Mund.
    »Dazu wirst du noch Gelegenheit genug haben. Bestimmt geht es ihr bald wieder besser, und dann kannst du einen zweiten Anlauf nehmen«, versuchte Lucy, ihn zu trösten.
    »Es ist einfach nur der falsche Zeitpunkt, Frank«, sagte Polly. »Tut mir so leid. Ich weiß auch nicht, was ich mir dabei gedacht hab, aber es hat wirklich so ausgesehen, als wäre der Moment gekommen. Mir war nicht klar, wie gestört sie wirklich ist. Aber sie ist deine Mum, daran ändert sich trotz allem nichts. Und wenigstens hast du jetzt deine Schwestern kennengelernt.«
    »Es ist nicht deine Schuld, Tante Polly«, sagte Frank.
    Tante Polly ! Rose musste sich auf die Finger beißen, um nicht laut aufzuschreien.
    »Wir können von Glück sagen, dass du all die Jahre über den Kontakt gehalten hast«, erklärte Lucy. »Es ist allein Pollys Verdienst, dass du überhaupt die Gelegenheit bekommst, sie kennenzulernen.«
    »Genauso wie wir es ihr zu verdanken haben, dass wir uns begegnet sind«, fügte Molly hinzu, nahm Franks Hand und sah ihm in die Augen.
    Roses Magen machte einen Satz. Das war also der Grund, weshalb Polly mit ihr nach Brighton gekommen war.
    »Glaubst du, man wird sie einweisen?«, wollte Frank jetzt wissen.
    »Ich denke, schon«, antwortete Polly, wobei sie seine andere Hand tätschelte. »Das ist zu ihrem eigenen Besten. Vermutlich ist sie im Moment eine Gefahr für sich selbst.«
    »Ich fühle mich nicht wohl dabei, sie mit den Kindern da oben allein zu lassen«, meinte Lucy zu Polly.
    »Ich halte es für wichtig, dass wir uns ihr gegenüber ganz normal verhalten«, sagte diese. »Wir wollen ja nicht, dass sie Verdacht schöpft.«
    Rose betrachtete den jungen Mann, der so saß, dass sein Gesicht von der Lampe beleuchtet wurde. Natürlich. Es war ihr bekannt

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