AnidA - Trilogie (komplett)
verschleierte sich. Schwärze flutete von den Rändern meines Gesichtsfeldes heran und drohte mich zu verschlingen.
»Ah«, sagte eine weiche Stimme sanft. »Aber du hast Kraft, Eddy. Wir gehen jetzt ein Stück deines Wegs gemeinsam, aber eigentlich brauchst du mich nicht. Ich habe keinen Einfluss, niemals. Ich bin die Botschaft, nicht die Tat. Ich bin die, die zusieht; nicht die, die handelt. Ich bin der Tod und nicht das Leben. Atme, Eddy. Es ist ganz leicht.«
Ich holte tief und zitternd Luft. Die Last hob sich von mir und verschwand, wie sie gekommen war. Die Luft schmeckte süß und frisch nach grünem Laub und reifendem Obst. Jinqx sah reglos zu, wie ich mich aufrichtete und wieder gegen die rissige Wurzel lehnte. Meine Finger bebten unkontrolliert, und Funken tanzten vor meinen Augen.
Jinqx taxierte mich nüchtern und nickte. Sie griff in eine ihrer unzähligen Taschen und holte die schmierige Schnapsflasche hervor, entkorkte sie und drückte sie mir in die Hand. »Nimm einen ordentlichen Schluck. Das hilft, Eddy, glaube mir. Ich habe ausgiebige Erfahrungen damit gesammelt.«
Benommen tat ich, was sie befahl. Der scharfe Schnaps rann brennend durch meine Kehle und setzte meinen Magen in Flammen. Der reine, sommerliche Obstgeschmack vertrieb den letzten Rest fauligen Modergeruchs aus meinen Sinnen. Keuchend setzte ich die Flasche ab, rang nach Luft und nahm noch einen zweiten, großen Schluck. Dann wischte ich über meinen Mund und meine tränenden Augen und gab Jinqx die Flasche zurück.
Sie verkorkte die Flasche und reichte sie mir wieder hin. »Behalte sie«, sagte sie mit sanfter Ironie. »Du brauchst sie jetzt nötiger als ich.« Sie grinste, dass sich ihr dunkles Gesicht kräuselte wie eine vom Wind bewegte Wasserfläche. »Außerdem finde ich sicher noch die eine oder andere Flasche in meinen Taschen, wenn ich ernsthaft danach suche.« Sie streckte sich gähnend, klopfte ihre Pfeife aus und stand auf. »Gehen wir nun schwimmen?«
Sie hielt mir auffordernd ihre Hand hin. Ich ergriff sie benommen und ließ mir aufhelfen. Stumm und ohne zu begreifen, was geschehen war, folgte ich der stämmigen dunklen Frau zum Teich. Leicht wie eine Tänzerin ging sie auf ihren bloßen Füßen vor mir her, und ich musste lachen. Diese seltsame Welt hatte sich vorgenommen, mich zu verblüffen und aus dem Gleichgewicht zu bringen, und ich musste einen ordentlichen Brocken Stolz herunterschlucken, um zugeben zu können, dass es ihr auch immer wieder gelang.
Das Bad hatte die erwünschte erfrischende Wirkung auf meinen benommenen Kopf. Jinqx war nur kurz ins Wasser getaucht, hatte entschieden, dass es ihr zu kalt und viel zu nass war, und war eilig wieder ans Ufer geklettert. Jetzt saß sie nur in ihren Mantel gewickelt da und sah zu, wie Chloe ihre Kleider inspizierte, die neben ihr im Gras lagen.
»Was machst du da?«, fragte ich vergnügt. »Lüftest du deine Lumpensammlung?« Jinqx grinste und fuhr sich mit den Fingern durch das krause, feuchte Haar. Ich streckte mich neben ihr aus und legte meinen Kopf in ihren Schoß. Jinqx beugte sich über mich, wobei sich der Mantel ein wenig öffnete, und studierte mein Gesicht. Ich streckte schläfrig eine Hand aus und streichelte ihre Brüste.
»Wie lange hast du Ter'briach gehütet?«, fragte ich tastend. Sie zeichnete mit ihren groben Fingern die Konturen meiner Stirn und Wangenknochen nach, eine Berührung, die so zart war wie das Herabfallen eines Blütenblattes.
»So kurz wie einen Atemzug und so lang wie ein Leben«, erwiderte sie gedankenversunken. »Aber es ist gut, wieder frei zu sein. Ich hatte vergessen, wie das ist.« Sie legte ihre Hand auf meine Augen, und ich spürte die Wärme und den Puls ihres Körpers.
»Du weißt, dass ich fort muss«, sagte sie nach einer Weile. »Nicht sofort, auch nicht morgen oder übermorgen. Aber bald, Eddy. Vielleicht werden wir uns nie wieder sehen.«
Ich schob ihre Hand von meinem Gesicht und richtete mich auf. »Wäre das schlimm für dich?«, fragte ich. Sie erwiderte meinen Blick reglos und unbewegt. Dann schüttelte sie sanft, aber nachdrücklich den Kopf. Ihre glänzend schwarzen Augen ließen mich nicht los. Ich griff nach ihrer Hand und suchte vergeblich nach Worten. Sie nickte nach einer Weile, als habe sie das verstanden, was ich nicht sagen konnte, und breitete wortlos ihren Mantel aus. Ich ließ mich von ihr einhüllen und tauchte hinein in die schwere Dunkelheit, die sanft und bitter nach Laub und feuchter Erde
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