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AnidA - Trilogie (komplett)

AnidA - Trilogie (komplett)

Titel: AnidA - Trilogie (komplett) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Gerdom
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eine Wurzel gelehnt auf einem schwellenden Moospolster saß.
    Ich setzte mich neben sie und lehnte meinen Kopf an das raue Holz. Chloe krabbelte aus meinem Ärmel und sprang hinüber, um irgendwo in den unergründlichen Tiefen von Jinqx' Kleidern zu verschwinden. Die Sturmkrähe saß still da, ihre Hände ruhten reglos in ihrem Schoß, und noch nicht einmal ein gelegentliches Blinzeln belebte ihre starren Züge. Sie wirkte, als säße sie schon seit Urzeiten hier an diesem Ort, genauso aus der Wurzel gewachsen wie der Baum selbst, ebenso alt und ebenso überlebensgroß auf dem Boden ruhend.
    »Wie alt bist du eigentlich, Jinqx?«, fragte ich impulsiv.
    Sie wandte unendlich langsam den Kopf und sah mich aus fremden, spiegelnd schwarzen Augen an. Ich sah mein Gesicht in ihnen, winzig klein und verzerrt, und musste an meinen Traum in dieser Nacht denken. Jinqx senkte langsam die Lider, und ein Atemzug hob ihre Brust.
    »Ah«, sagte sie, ein Laut zwischen Erleichterung und Schmerz. »Ah, ja.« Sie öffnete wieder die Augen und schenkte mir ein winziges, ironisches Lächeln. »Wolltest du nicht schwimmen gehen?«
    Glühender, sengender Zorn kochte in mir empor wie Lava, die sich den Weg durch dunkle Erdschichten ins Freie sucht, und nahm mir den Atem. Jinqx sah mich mit abwartendem Interesse an. Der Spott in ihren dunklen Augen schürte meine aufschießende Wut nur noch mehr. Mein Hals war wie zugeschnürt, und in mir war für nichts anderes mehr Platz als für den Wunsch, ihr weh zu tun, damit dieser arrogante, überlegene Ausdruck endlich von ihrem Gesicht verschwand. Schwerer, herbstlicher Geruch wie von modrigem Laub und brackigem, fauligem Wasser stieg in meine Nase und ließ mich würgen.
    »Du«, zischte ich. »Du sitzt da und glaubst, die Weisheit mit Löffeln gefressen zu haben, was? Weißt du, wie mich das ankotzt? Wer bist du überhaupt? Was gibt dir das Recht, uns alle zu behandeln wie dumme Kinder, du – du – du stinkendes Stück Abfall!« Jinqx lächelte nur. Ich wandte mich blind vor Wut ab und hieb meine Faust gegen die rissige Rinde der Wurzel, wobei ich mir wünschte, sie wäre das höhnische Gesicht neben mir. Leise Geräusche und ein winziges blaues Rauchwölkchen, das in der Luft zerfaserte, zeigten mir an, dass Jinqx sich in aller Gemütsruhe eine Pfeife angezündet hatte. Ich schlug wieder und wieder gegen das harte Wurzelholz und riss mir daran die Fingerknöchel auf.
    »Es ist schwer am Anfang«, sagte Jinqx nachdenklich. »Sie zerrt an dir wie ein Gewittersturm, und später liegt sie auf deinen Schultern wie die Last der Welt. Aber du wirst dich daran gewöhnen.« Ich schluckte an meinem Grimm und drehte mich wieder zu ihr um. Sie saß friedlich da und blickte den Rauchwölkchen aus ihrem Mund nach. Ich begriff nicht, was sie von mir wollte.
    »Sie wird dich verändern«, fuhr sie träumerisch fort. »Das muss nicht schlimm sein. Du solltest nur aufpassen, dass sie dich nicht verschluckt. Das kann sie, Eddy. Das kann sie wahrhaftig.«
    Ich ballte krampfhaft meine Fäuste und öffnete sie wieder. »Wovon redest du nur?«, fragte ich heiser. Meine Kehle war so wund wie meine Fäuste.
    Jinqx legte ihre geöffnete Hand entspannt auf ihren Schenkel und vollführte eine winzige Bewegung mit den stumpfen Fingern. Es schimmerte golden und braun wie Herbstlaub in der Luft über ihrer Hand, und ein Blinzeln später lag Ter'briach in ihrer rissigen Handfläche. Ich sog panisch erschreckt die Luft ein und erwartete den reißenden Schmerz, den die Trennung von einem der Herzen immer mit sich brachte – aber dieses Mal blieb er aus. Ein intensiver werdender Geruch nach Moder und nassem Laub, schwerer dunkler Erde und schlammigem Wasser lag in der Luft, erstickte meine glosende Wut und ließ sie einer herbstlichen, melancholischen Stimmung Platz machen.
    Jinqx blickte still auf das Herz der Erde nieder. Ihr herbes Gesicht war ungewöhnlich weich und sanft. »Lass dich nicht von ihr verschlingen. Sie ist keine grausame Herrin, Eddy. Aber du musst sie ertragen können.« Ter'briach in ihrer Hand schimmerte weich und golden und verschwand. Eine unvorstellbar schwere Last senkte sich auf mich und drückte mich auf den weichen Boden nieder. Mein Brustkorb wurde zusammengepresst, und meine Muskeln kämpften heftig und vergeblich darum, einen Schluck Luft in meine Lungen zu saugen. Der herbstliche Geruch wurde stärker und schärfer wie brennendes Laub und ließ mir Tränen in die Augen steigen. Mein Blick

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