AnidA - Trilogie (komplett)
beruhigend. Ylenia seufzte und wechselte einen langen Blick mit der ruhig dasitzenden Tallis. Dorkas runzelte die Stirn.
»Gut«, sagte sie schroff. »Ich werde bald wissen, was von diesem Geschwätz wahr ist, dann sehen wir weiter. Ihr seid jetzt meine Gäste. Man wird euch eure Zimmer zeigen, und ich bitte euch in eurem eigenen Interesse, das Haus nicht zu verlassen, bis ich euch die Erlaubnis dazu gebe.«
Mellis fuhr auf, ihre Augen blitzend vor Zorn. »Verflucht sollst du sein, Dorkas!«, schrie sie die Khanÿ an. »Was für eine Rolle spielst du hier eigentlich? Ich habe Ida nicht glauben wollen, was sie von dir erzählte, aber nun ...«
Die Khanÿ brachte sie mit einer barschen Geste zum Schweigen. »Glaube es ruhig«, sagte sie kalt. »Ich werde dafür sorgen, dass euch nichts geschieht. Morgen oder übermorgen könnt ihr unbeschadet Weiterreisen. Aber bis dahin haltet euch bitte an meine Anweisungen.« Sie stand auf, die Audienz war offenbar beendet. Ich muss zugeben, dass ich wider Willen von dieser herrischen Frau beeindruckt war.
Ida ließ meine Hand los und erhob sich. »Dorkas, darf ich dich um etwas bitten?«, fragte sie leise. Die Khanÿ wartete schweigend, mit einem erbitterten Zug um den Mund. Ida fuhr fort: »Ich möchte mich eine Weile im Garten aufhalten. Wäre das möglich?«
Dorkas wies stumm zur Hoftür. Ida neigte dankend den Kopf und ging hinaus. Wir anderen wurden von einem schweigsamen, dunkelhäutigen Mann zu unseren Zimmern geleitet. Man schloss uns nicht ein, aber ich war mir recht sicher, dass draußen jemand Wache schob und uns nachdrücklich am Verlassen unserer Räume hindern würde, sollten wir es versuchen.
Ich fuhr aus dem Schlummer hoch, als jemand mein Zimmer betrat. Ida setzte sich auf meine Bettkante und nahm meine Hand.
»Meine Sicht kehrt zurück«, sagte sie gedämpft. »Ich kann die Augen jetzt immer öfter offen lassen, Eddy.« Unter diesen optimistischen Worten spürte ich die Angst, die sie schüttelte. Ich begriff, dass sie nicht allein die Rückkehr ihres normalen Augenlichtes meinte, sondern eine Ausweitung ihres »zweiten Blicks«, wie sie ihn nannte.
»Wo warst du?«, fragte ich schlaftrunken, ohne auf ihre Worte einzugehen. Sie seufzte und streckte sich neben mir auf dem schmalen Bett aus.
»Ich habe lange an Amos' Grab gesessen«, sagte sie leise. Ich spürte ihre Trauer.
»Was hat die Khanÿ mit uns vor?«
Ida legte ihren Kopf an meine Schulter und gähnte. »Es ist seltsam«, sagte sie schläfrig. »Ich kann sie nicht richtig sehen, ihr Bild wandelt sich ständig unter meinem Blick. Ich glaube, ich habe einen Fehler begangen.« Sie sprach nicht weiter.
Ich bemühte mich, zu erspüren, was sie dachte, aber außer einigen vagen Gefühlsregungen drang nichts von ihr zu mir vor. »Wir trennen uns immer weiter«, bemerkte ich ein wenig traurig. »Bald sind wir wieder allein.«
Ida lächelte verhalten in die Dunkelheit und drückte beruhigend meine Hand. »Hab keine Angst. Wir werden niemals ohne einander sein.« Ich drehte den Kopf, um sie genauer anzusehen. Sie schlief fest. Getröstet schloss ich die Augen und ließ mich in den Schlaf gleiten.
Ich erwachte vor der Morgendämmerung mit einem heftig knurrenden Magen. Ida schlief immer noch tief und fest. Ich stieg über sie hinweg aus dem Bett, tappte leise zur Tür und öffnete sie behutsam. Der dunkle Korridor schien unbewacht zu sein. Ich lauschte, aber das Haus lag still und schlafend. Ich trat aus dem Zimmer und ging leise die Treppe hinunter. Die Küche war kalt und dunkel, und ich entfachte erst einmal ein Feuer im Herd. Wenig später saß ich gähnend an dem weiß gescheuerten Küchentisch und nippte an einem brühheißen Kräutertee. Dem altbackenen Kanten Brot, den ich im Kasten gefunden hatte, ließ sich nur unter Mühen noch eine Scheibe abtrotzen, aber ich war zu faul, mir stattdessen einen Getreidebrei zu kochen. Ich weichte das trockene Brot in Tee ein und gähnte, dass mir das Wasser in die Augen schoss.
Im Flur knarrten die alten Dielen, und die Küchentür öffnete sich. »Ah, Tee«, sagte eine erfreute Stimme. Ich drehte mich um und sah, wie die Khanÿ den Teekessel vom Feuer hob, sich einen Becher voll schenkte und ihn mit einem ordentlichen Löffel Honig süßte. Sie ließ sich mir gegenüber auf die Holzbank sinken und nahm einen großen Schluck. Ihre Augen musterten mich hellwach und aufmerksam.
»Wirklich erstaunlich«, sagte sie nach einer Weile. »Ihr seht euch unglaublich
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