AnidA - Trilogie (komplett)
sie Menschen in die Hierarchie verkauft hat«, setzte Mellis leiser hinzu. »Als ich ihr sagte, dass sie jetzt wahrscheinlich damit rechnen könne, dafür zur Rechenschaft gezogen zu werden, hat sie nur selbstzufrieden gelacht und gesagt, der neue Padischah sei ihr durchaus freundlich gesonnen, und sie fürchte sich nicht.«
Ida kicherte. Mellis sah sie ähnlich verblüfft an wie ich. Ida äußerte sich nicht weiter zu dem Grund ihrer Erheiterung, und nach einer Weile fuhr Mellis verstimmt fort: »Sie hat mir angeboten, bei ihr einzusteigen, stellt euch das vor! Sie sagte, wir seien doch gute Partnerinnen gewesen, und sie könne mich jetzt dringend brauchen, wo sie doch ihr Geschäft umorganisieren müsse.« Sie schnappte nach Luft und trank grimmig von ihrem Tee. Ida sah mit einem Mal äußerst nachdenklich aus.
»Tu's«, sagte sie knapp. Mellis riss die Augen auf.
»Was?«, fragte sie ungläubig.
»Nimm das Angebot an.«
Ich sah den Ausdruck von Idas merkwürdigen Augen und war alarmiert. »Du solltest auf sie hören«, bekräftigte ich ihre Worte. Mellis sah von mir zu meiner Schwester. In ihrem Gesicht war deutlich zu lesen, was sie von unserem Geisteszustand hielt.
Ida legte ihren Kopf in die Hände und atmete seufzend ein. »Ich bin so dumm«, sagte sie aus tiefstem Herzen.
»Woher diese plötzliche, erschütternde Erkenntnis?«, fragte eine spöttische Stimme von der Tür zum Garten her.
Ida blickte auf und lächelte die Khanÿ an. »Entschuldige, Dorkas. Ich habe mich geirrt.« Sie hielt der anderen die Hand hin.
Die Khanÿ blickte darauf nieder wie auf einen vergammelten Fisch, zuckte dann mit den Achseln und ergriff Idas Hand. »Schon gut«, sagte sie schroff. »Kann ich jetzt davon ausgehen, dass du darauf verzichten wirst, mir das Handwerk zu legen, wie du angekündigt hattest?« Ida nickte nachdrücklich. Die Khanÿ ließ ihre Hand los und ging zum Herd. »Wann reist ihr ab?«
»Wir sind schon so gut wie weg«, schnappte Mellis. Sie sprang auf, aber Ida drückte sie in den Sitz zurück.
»Redet miteinander«, befahl sie. »Dorkas, zieh sie nicht auf, du siehst doch, wie schwer sie es nimmt. Mellis, hör doch bitte auf das, was dein Herz dir sagt. Nimm ihr Angebot an. Sie hat es vielleicht im Scherz geäußert, aber ich denke, es hat einen wahren Kern!« Sie stand auf und zog mich mit sich in den Garten. Ich sah, wie Dorkas und Mellis ihr mit offenem Mund nachblickten.
Ich folgte Ida, die vor einem überwucherten Beet stehen blieb und nachdenklich darauf niederblickte. »Wie hast du das gerade gemeint?«, fragte ich. »Du hast Mellis ernsthaft geraten, sich einer solchen Organisation anzuschließen?«
Ida wandte nicht den Kopf, aber ich sah ihr Lächeln. »Ich habe mich von Dorkas und Marten gründlich hinters Licht führen lassen«, erwiderte sie heiter. »Dorkas hat niemals mit Menschen gehandelt, sie hat ihnen über die Grenze geholfen. Verstehst du nicht? Sie hat unter dem Deckmantel ihrer Organisation Leute aus dem Hort geschafft, die hier aus welchen Gründen auch immer in Gefahr waren oder die nicht länger hier leben konnten. Die Herrschaft der Khane war kein Zuckerschlecken für die unteren Kasten oder für alle, die eine andere Meinung als die Herrschenden vertraten.«
»Ach so«, erwiderte ich dümmlich. »Und der neue Padischah ...«
»Devvy hatte sich mit seinem Vater überworfen. Er ist in den Untergrund gegangen und hat sich Dorkas angeschlossen. Sie haben sogar seine eigene Schwester und ihre Kinder außer Landes schaffen müssen, weil sie bei dem alten Padischah in Ungnade gefallen war.«
»Aber woher weißt du von alldem? Als wir von der Zitadelle fortritten, warst du noch fest entschlossen, Dorkas das Handwerk zu legen.«
»Woher ich das weiß – woher ich das alles weiß ...« Ida schwieg verblüfft. Ihr Gesicht wurde leer. Sie schwankte ein wenig, und ich stützte sie eilig. Ida setzte sich auf den Boden vor dem Beet und legte ihre Hände vorsichtig darauf.
»Amos«, murmelte sie. »Und Marten. Eddy, ich hatte noch nicht einmal Zeit, um zu trauern. Es ging alles so schnell, und außerdem ... es war so unwirklich. In einem Moment hatte ich noch eine Riesenwut auf den fetten Kerl und im nächsten lag er da in seinem Blut.« Sie hob die Hände an ihre Augen. »Ich kann nicht weinen. Meine Augen sind trocken wie ein leerer Flusslauf.«
Ich strich über ihre Schultern. »Hast du ihn geliebt?«, fragte ich vorsichtig. Das, was ich an Gefühlen empfangen hatte, als wir
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