AnidA - Trilogie (komplett)
noch verbunden gewesen waren, war mehr als vielschichtig gewesen und vermischte sich ständig mit Bildern von Martens Bruder Simon.
Ida lächelte wehmütig. »Ich weiß es nicht. Du hast ihn nicht gekannt, Eddy. Ein grässlicher Kerl, er konnte jemanden umbringen und danach ein gutes Essen in sich hineinstopfen, als wäre nichts gewesen. Aber ein Koch war er ... ah, ich habe niemals so gut gegessen wie in dieser Zeit mit ihm. Und er konnte zärtlich sein, obwohl man ihm das niemals zugetraut hätte. Ein Lügner, dem du kein Wort glauben durftest, und ein maßloser Säufer. Fett, verlogen, hinterhältig und gefräßig ... Ich vermisse ihn schrecklich.«
»Die Rede ist von meinem Freund Marten, wenn ich mich nicht irre«, sagte eine herbe Stimme. »Entschuldigt, ich wollte euch nicht belauschen.«
»Dorkas. Du hast dich mit Mellis versöhnt?«
Die grauhaarige Frau nickte knapp. Ihr Blick wanderte über uns beide, wie wir uns an den Händen hielten, und sie lächelte. »Deine Schwester kennt Marten nicht? Grüßt ihn von mir, wenn ihr ihn trefft. Obwohl er sich ausgerechnet diesen Zeitpunkt ausgesucht hat, um mich im Stich zu lassen, dieser faule Schweinehund!«
Ida wich ihrem Blick aus. Ihr Mund verzerrte sich wie zum Weinen, aber ihre Augen blieben trocken. »Du weißt es noch nicht«, sagte sie rau. »Marten ist in der Zitadelle getötet worden.«
Dorkas riss die Augen auf. »Was?«
Ida berichtete in aller Kürze, was sie erlebt hatte. Dorkas starrte sie sprachlos an. Dann sah sie zu mir, und ich wunderte mich über die Unsicherheit und Sorge, die aus ihrem Blick sprach.
»Du irrst dich, Ida«, sagte sie endlich behutsam. »Ich habe noch vor kurzem mit ihm gesprochen. Er ist gesund und munter, und er hat mir die Brocken vor die Füße geworfen. Er sagte, er sei endgültig zu alt für all diese Aufregung. Er wollte sich zur Ruhe setzen.« Sie schüttelte sanft verwundert den Kopf. »Allerdings schien er zu glauben, dass du tot bist, Ida. Jedenfalls hat er mir eine ähnlich wirre Geschichte erzählt wie du gerade.«
Ida war blass geworden, und ihre Augen glänzten gespenstisch. »Marten lebt«, sagte sie tonlos. »Bei den Schöpfern, damit verändert sich alles!« Sie sackte schwer gegen mich. Ich sah ihr blasses Gesicht und die bläulich geäderten, beinahe durchsichtigen Lider, die über ihre Augen gesunken waren, und packte sie unter den Achseln.
»Was ist los?«, fragte ich beunruhigt.
Ylenia, die gerade in den Garten kam, trat eilig an unsere Seite und nahm Idas Arm. »Sie sollte sich hinlegen«, ordnete sie nüchtern an. »Eddy, eure neuen Fähigkeiten sollten nicht auf die leichte Schulter genommen werden. Ihr braucht beide Zeit, euch an sie zu gewöhnen.«
Wir trugen die halb bewusstlose Ida in den kleinen Raum, der einmal Martens Onkel gehört hatte, und betteten sie dort auf eine schmale Liege. Idas Augenlider flatterten, und sie versuchte schwächlich, sich aufzurichten.
»Bleib liegen, Kind«, sagte Ylenia und nahm Idas Kopf zwischen die Hände. Ida gehorchte. Meine Tante sah mich an und schüttelte sanft den Kopf. »Mach nicht so ein besorgtes Gesicht«, ermahnte sie mich leise. »Sie ist nicht in Gefahr. Aber wir sollten zusehen, dass wir bald zum Ordenshaus zurückkommen. Du benötigst eine gründliche Schulung; mehr als das, was meine Mutter dir hat zukommen lassen. Und Ida braucht die Hilfe einer Seherin. Wir haben zurzeit zwar keine im Orden, aber ich denke, dass die Grennach uns helfen werden.« Ich nickte stumm und hockte mich auf die Kante der Liege, um Idas Hand zu nehmen. Ylenia strich mir fast unbeholfen über den Kopf und sagte dann energisch: »Ich kümmere mich um unseren Aufbruch. Ich werde euch rufen, wenn wir so weit sind. Habt ihr gefrühstückt?«
»Ja, danke«, murmelte ich und starrte auf unsere verschränkten Hände. Ich konnte kaum noch fühlen, was in Ida vorging. Der Schmerz der Trennung war unbeschreiblich. Ich griff unwillkürlich nach dem Herzen der Welt und zog es aus der Tasche. Ida sog die Luft durch die Zähne. Ich legte das Kleinod auf ihre Brust und deckte meine Hand darüber. Idas Gesicht entspannte sich, sie lächelte leise. Ich glaubte, einen leisen, heiseren Vogelruf zu hören.
Es dauerte nicht lange, und Ylenia steckte den Kopf zu uns herein. »Seid ihr bereit?«, fragte sie leise.
Ida regte sich und öffnete die Augen. Ich half ihr, sich aufzusetzen, und steckte dann Ter'terkrin sorgsam wieder ein. Die Holzkrähe in meiner Tasche schien sich sacht zu
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