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AnidA - Trilogie (komplett)

AnidA - Trilogie (komplett)

Titel: AnidA - Trilogie (komplett) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Gerdom
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sein Bein ihm immer zu schaffen – nicht, dass es sehr viel stärker geschmerzt hätte, es war eher Schwäche, die seine Bewegung unbeholfen machte.
    Auf der Bank unter der alten Kastanie, gleich neben dem Brunnenhaus, saß eine hell gekleidete Novizin und blickte reglos auf ihre Hände nieder, die sie in ihrem Schoß gefaltet hatte. Sie war so in Gedanken versunken, dass sie seine Annäherung nicht bemerkte. Strähnen von Bernstein und dunkelrotem Ahorn glänzten in dem dicken dunklen Zopf, der sich über ihre Schulter legte. Das dreifarbige Hexenhaar schien das Licht der untergehenden Sonne nachahmen zu wollen.
    »Hallo, Dummchen«, rief Korben sie an. Der Zopf rutschte von ihrer Schulter, als ihr Kopf hochfuhr, und Korben lachte über die Wut, die auf ihrem Gesicht aufflammte, bevor sie erkannte, wer vor ihr stand.
    »Ach, der kleine Krüppel.« Sie rutschte beiseite, damit er sich neben sie setzen konnte. »Du hättest dir fast eine gefangen. Pass auf, ich bin schlecht gelaunt!« Aber sie lächelte, als sie das sagte.
    Korben ließ den Zuber zu Boden gleiten und streckte sich ächzend. »Schlechten Tag gehabt, Anna?«, fragte er beiläufig.
    Anna zuckte mit den Schultern. »Nicht schlechter und nicht besser als andere Tage«, gab sie zurück. Sie verschränkte die Finger ineinander und zog eine Grimasse. »Schwester Birgid hat sich einen Vormittag lang damit abgeplagt, mir die drei primären Verwandlungen einzutrichtern – kein Problem für mein Gedächtnis, aber wenn ich sie ausführen soll ...« Sie schnaubte. »Und gleich muss ich zur Ältesten Herrad und mir meine wöchentliche Ansprache anhören, dass ich mich nicht genügend anstrenge, und mich an die große Tradition meiner Familie erinnern lassen und dass ich ihr nicht gerade Ehre mache, obwohl ich doch sogar das Privileg genieße, eine Lehrerin für mich allein zu haben, und so weiter und so fort ...«
    Korben nickte mitfühlend. Anna stammte aus einer Familie von Hexen, die allein in den letzten fünf Generationen drei der Ältesten des Weißen Ordens gestellt hatten. Anna selbst aber zeigte nur eine schwache magische Begabung, und trotz all ihrer Bemühungen kam sie mit ihren Studien einfach nicht vom Fleck. Sie hätte längst die fünfte und letzte Stufe ihres Noviziats erlangen müssen, mit der die Grundausbildung einer Hexe ihren Abschluss fand – aber stattdessen hatte sie mit Ach und Krach die zweite Stufe erreicht und schien dort bis an ihr Lebensende verharren zu wollen.
    Anna lachte auf. Korben sah ihre blitzenden honigfarbenen Augen und lachte angesteckt mit, ohne den Grund für ihre Heiterkeit zu kennen. »Weißt du«, sagte sie vergnügt, »es ist schon verrückt. Du wünschst dir nichts mehr, als dass Mutter Herrad dich als Novizen aufnimmt – und ich gäbe alles darum, wenn jemand käme und sagte: ›Anna, geh nach Hause. Das hier ist doch nur Quälerei. Pack dein Bündel und geh zurück nach Sendra.‹«
    Korben zog die Brauen zusammen. »Warum tust du das nicht einfach?«, fragte er. »Niemand wird hier festgehalten, die Ausbildung ist vollkommen freiwillig.«
    Ihr Gesicht verlor jeden Schimmer eines Lächelns. Sie blickte auf ihre Hände nieder, die mit blassen, honigfarbenen Sommersprossen gesprenkelt waren.
    »Ich habe keine Wahl«, antwortete sie knapp. Korben wartete auf eine Erklärung, aber Anna hatte die Lippen zusammengekniffen und sah wütend aus. Er hatte gelernt, sie in Ruhe zu lassen, wenn sie wirklich wütend war, deshalb erhob er sich, stemmte den elenden Zuber und grinste sie schief an. »Wir sehen uns.«
    Seine unregelmäßigen Schritte entfernten sich auf dem abgetretenen Pflaster des Brunnenhofes. Anna blickte auf und sah dem schmächtigen jungen Mann mit einem Anflug von Mitleid nach. Mitleid oder Spott – sie wusste nicht, was seinen Stolz mehr verletzte. Nach außen hin schien er sich weder über sein verkrüppeltes Bein noch über die deformierte Schulter zu bekümmern; wenn der Spott der Jungen ihn traf, tat er ihn entweder mit einem schiefen Lächeln ab, oder er ignorierte die dummen Bemerkungen ganz einfach. Anna beneidete ihn manchmal um seine Gelassenheit – ihr fiel es schwer, ruhig zu bleiben, wenn eine der jüngeren Novizinnen sie »Dummchen« nannte. Nicht, dass das so offen geschah wie der Spott, der Korben traf. Dazu war ihre Wut zu gefürchtet. Aber das Gezischel und Geflüster hinter ihrem Rücken, gerade so laut, dass sie es hören konnte, das alberne Gekicher und die bedeutungsvollen Blicke ...

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