AnidA - Trilogie (komplett)
»Aber ich weiß so schon nicht, wo mir der Kopf steht. Weißt du, ich habe bereits einen Lehrling.«
Er wies mit einer halb wütenden, halb resignierten Geste auf den riesigen, mit Büchern, Papier, Gerätschaften und getrockneten Heilkräuterbündeln beladenen Tisch. »Sieh dir das Durcheinander an. Der verdammte Bengel kommt, wie es ihm passt. Vielleicht kommt er auch gar nicht, und dabei sollte er doch heute hier gründlich aufräumen.«
Er fegte einige bekritzelte Blätter von einem Stuhl und ließ sich schwer darauf sinken, ehe er in seinem Lamento fortfuhr. »Ich kann keine Privatschülerin brauchen, ich habe genug damit am Hals, die Novizenklasse zu unterrichten, diesen Bengel festzuhalten, damit er mir nicht ständig während seiner Ausbildung davonläuft und ganz nebenbei «, er funkelte Anna aufgebracht an, »ganz nebenbei noch dafür zu sorgen, dass in der Krankenstube nicht alles drunter und drüber geht. Also sag mir – was soll ich mit dir anfangen?«
Er sah sie beinahe flehend an. Anna lächelte, denn sie mochte den zerknitterten alten Mann gut leiden. So fahrig und hilflos er im Kampf mit den Dingen des Alltags auch wirkte, so stark und sicher zeigte er sich, wenn es darum ging, Kranke und Leidende zu beruhigen und ihnen Kraft zu geben.
»Ich werde dir nicht zur Last zu fallen, Meister Wilber«, sagte sie fest. »Ich habe auch keine Angst, mir die Finger schmutzig zu machen. Ich möchte von dir lernen, und dafür, dass du mich lehrst, würde ich dir gern helfen, hier alles in Ordnung zu halten.«
Meister Wilber erwiderte erleichtert ihr Lächeln. »Das hört sich wie ein gutes Geschäft für mich an«, scherzte er. »Darf ich dich denn bitten, heute schon hier anzupacken? Der Junge hat mich im Stich gelassen, und ich finde nichts mehr wieder. Wenn du ein wenig Ordnung in das Durcheinander bringen könntest, wäre ich dir sehr dankbar.«
Er erhob sich und nahm einen Korb mit getrockneten Pflanzenteilen von einem überfüllten Regalbrett. »Ich muss nämlich jetzt in die Krankenstube. Aber heute Abend werde ich ganz sicher Zeit für dich haben.«
Anna schloss die Tür hinter ihm und wandte sich dann mit einem lauten Seufzen dem überladenen Tisch zu, der fast den gesamten freien Platz in dem voll gestopften Raum einnahm. »Schönen Dank auch, Korben«, murmelte sie und zog mit spitzen Fingern ein verschrumpeltes, graubraun grünliches Etwas zwischen zwei Büchern hervor. Sie musterte das undefinierbare Etwas misstrauisch, verkniff sich, daran zu riechen, und warf es angewidert in einen Eimer, der bereits mit ähnlichen Dingen gefüllt neben dem Fenster stand.
Der halbe Vormittag war verstrichen, und die Sonne strahlte warm durch das weit geöffnete Fenster. Anna wischte sich mit dem mittlerweile schmutzig grauen Ärmel ihres hellen Kittels eine kitzelnde Haarsträhne aus dem Gesicht und wusch den Lappen vehement in einem Eimer mit schmutzigem Wasser aus. Dann warf sie ihn in den Eimer zurück, dass es spritzte, und versuchte zum wiederholten Male, die bis zum Ellbogen nassen Ärmel ihres sonst so praktischen Kleidungsstücks so hoch zu krempeln, dass sie ihr nicht ständig ins Wischwasser stippten. Aber es dauerte wie immer nur ein, zwei Armbewegungen, bis die schweren nassen Säume erneut um ihre Handgelenke klatschten.
Anna zerbiss einen Fluch zwischen den Zähnen und hob einen Stapel Bücher vom Boden auf. Um ihre weite Hose war es nur wenig besser bestellt: sie hatte nasse und schmutzige Knie, und auch ihre Sitzfläche war nicht mehr ganz so trocken, wie es für ein allgemeines Wohlbefinden angenehm gewesen wäre. Anna hatte im Eifer des Gefechts nicht daran gedacht, dass sie den Wischlappen auf einem Hocker abgelegt hatte, um beide Hände für einen der vielen Bücherstapel frei zu bekommen, die sich inzwischen auch rund um den Tisch auf dem Boden türmten.
Durch Schaden klug geworden, inspizierte sie dieses Mal vorher den Stuhl, auf den sie sich dann mit einem lauten Stöhnen fallen ließ. Der Tisch war sauber, das lose Papier in ordentliche Stapel gehäuft, die Tiegel, Löffel, Becher, Mörser, Messer und anderen Gerätschaften je nach Sauberkeitsgrad in die Regale geräumt oder in den Abwaschzuber gewandert, und auf dem Tisch lagen nur mehr kleine Häufchen von getrockneten oder frischen Pflanzen, Schalen mit pulverisiertem Material und andere Dinge, deren Aufbewahrungsort sie nicht hatte bestimmen können.
Sie trocknete ihre nassen Hände am Kittel ab und griff neugierig nach dem
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