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AnidA - Trilogie (komplett)

AnidA - Trilogie (komplett)

Titel: AnidA - Trilogie (komplett) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Gerdom
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Anna spürte, wie ihr Gesicht heiß wurde.
    Korben dagegen hob allenfalls eine seiner schwarzen Brauen, rümpfte verächtlich die scharfe Nase und würdigte seine Peiniger keines Blickes. »Ignoriere sie«, hatte er ihr einmal geraten, als sie wieder nicht gewusst hatte, wohin mit ihrer Wut. »Wenn du sie ignorierst, hören sie eher damit auf. Aber auch wenn sie das nicht tun – es bringt dich wenigstens nicht jedes Mal so in Rage.«
    Sie fand seinen Rat nicht schlecht – aber sie konnte ihm nicht folgen. Und wenn sie ehrlich war, hielt sie seine Gelassenheit nicht für echt. Dazu hatte sie zu oft den Funken in seinen schwarzen Vogelaugen gesehen, wenn einer der Jungen »Krüppel, Hinkebein, Buckelmännchen« zu ihm gesagt hatte. Er hatte Übung darin, seine Gefühle zu verbergen, aber sie wusste, wie stolz er war, und ahnte, dass auch ihn die Schmähworte immer noch trafen.
    Anna seufzte und stand auf. Die kleine Glocke, die jeden Tag die Abendruhe einläutete, erklang vom Turm. Man ließ die Oberste Hexe nicht warten, schon gar nicht als dumme kleine Novizin.

    Herrads Räumlichkeiten lagen im Ostflügel des Haupthauses und blickten auf den schönsten der Gärten hinaus, den zu betreten den Novizen verboten war. Auf dem Weg dorthin dachte Anna über das nach, was sie Korben von ihrem wöchentlichen Termin mit der Ältesten erzählt hatte. Sie hatte ihm diese Gespräche als Standpauken dargestellt und fragte sich jetzt, warum sie das getan hatte. Weil sie trotz allem einen solchen Nachgeschmack bei ihr hinterließen, obwohl die Älteste in Wirklichkeit immer sehr sanft und verständnisvoll zu ihr sprach?
    Anna schüttelte den Kopf und schalt sich ein dummes Ding. Wahrscheinlich hatte sie Korben nur ein wenig Aufmunterung dadurch geben wollen, dass sie ihren eigenen Stand im Gefüge des Ordens noch ein wenig schlechter darstellte, als er ohnehin schon war.
    Sie bog von einem der äußeren Gänge in den inneren Bereich des Ostflügels ein. Zu Anfang hatte sie sich ständig verlaufen, aber inzwischen war die verzwickte Geographie dieses alten, verwinkelten Gebäudekomplexes ihr so vertraut wie ihr eigenes Zuhause.
    Der innere Bereich war den ausgebildeten Hexen vorbehalten, Novizen betraten ihn nur auf Aufforderung. Anna genoss das Gefühl der weichen Stoffteppiche unter ihren Füßen, die hell auf dem dunklen Steinboden lagen und den Klang ihrer Schritte dämpften. Sanft schimmernde Kugeln aus magischem Licht erhellten den fensterlosen Gang und vertrieben alle Schatten.
    Anna bog um die nächste Ecke und war an ihrem Ziel angelangt. Sie klopfte an eine schwere geschnitzte Tür, die im selben Augenblick vor ihr aufschwang.
    Sie kannte nur den vorderen Raum der privaten Gemächer Herrads. Hier stand ein kleiner Schreibtisch, und am Fenster wartete der bequem aussehende Lehnstuhl mit den abgewetzten Polstern und verschlissenen Lehnen, der schon Generationen von Obersten Hexen treue Dienste geleistet zu haben schien, so alt und geradezu gebeugt sah er aus. Im Winter stand er vor dem Kamin, aber in der schönen, warmen Jahreszeit genoss Mutter Herrad wohl lieber den Ausblick ins Grüne und die kühlende Brise, die vom Garten her durch die geöffneten Fensterflügel strich.
    »Anadia, meine Liebe, ich bin gleich für dich da«, empfing die Oberste Hexe sie mit sanfter Stimme und wies auf einen Stuhl mit gerader Lehne, der neben dem Kamin stand. Anna knickste und ließ sich steif darauf nieder. Mutter Herrad saß an ihrem kleinen Schreibtisch und blätterte noch ein Weilchen mit gerunzelter Stirn in den Papieren herum, ehe sie sie mit einem Seufzer beiseite schob und sich Anna zuwandte.
    Die Oberste Hexe des Weißen Ordens war keine groß gewachsene Frau. Sie hatte die helle Haut und das zähe Aussehen einer Frau aus dem Norden des Reiches – Wittbarre oder der nördliche Teil von Beleam. Ihr graublondes Haar war zu einem strengen Knoten geschlungen, aus dem nicht ein einzelnes Härchen den Vorwitz aufbrachte zu entkommen.
    Anna wich dem Blick der farblosen Augen nicht aus, sie erwiderte ihn fest und ohne zu lächeln. Mutter Herrad seufzte wieder und schüttelte leicht den Kopf.
    »Immer noch voller Trotz?«, fragte sie. »Kind, ich weiß, wie wenig du dich hier wohl fühlst. Aber meinst du nicht selbst, es sei endlich einmal an der Zeit, dich darein zu schicken, dass hier dein Zuhause ist? Du bist eine talentierte junge Frau, auch wenn du das nicht glauben magst – deine Fähigkeiten sind nur beeinträchtigt von dieser

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