AnidA - Trilogie (komplett)
bösen Bürde, diesem Fluch, den deine Großmutter dir einst auferlegte.«
Sie pausierte, wartete auf Annas Entgegnung. Die junge Frau aber schwieg hartnäckig und unglücklich.
Mit einer ungeduldigen Geste erhob sich die Hexe und trat hinter dem Schreibtisch hervor. »Wir werden dich eines Tages davon erlösen können«, sagte sie. »Du weißt, dass die besten Köpfe dieses Ordens hart daran arbeiten, diese fatale Bindung zu lösen. Aber bis dahin solltest du das tun, wozu du hier bist: lernen. Dich weiterentwickeln. Stärker und weiser werden. Du weißt, wie stolz deine Mutter auf dich ist ...«
Sie unterbrach sich, weil Anna einen leisen Laut ausstieß und widerwillig den Kopf abwandte. Mit zwei Schritten war sie an ihrer Seite und nahm Annas rundliche Hand zwischen ihre kühlen, mageren Hände.
»Kind«, sagte sie eindringlich und zwang Anna, sie anzusehen. »Kind, deine Mutter ist sogar sehr stolz auf dich – nicht wegen deiner Leistungen im Noviziat. Nein, falsch, auch deswegen. Aber hauptsächlich doch, weil du so stark bist und deine Bürde so tapfer und klaglos trägst. Nun, seien wir ehrlich, beinahe klaglos«, setzte sie mit einem schwachen Lächeln hinzu.
Anna benetzte die Lippen. »Warum darf Korben kein Novize sein?«, fragte sie.
Herrad blinzelte, überrumpelt von dem abrupten Themenwechsel. Anna schaffte es selten, die Oberste Hexe aus der Ruhe zu bringen – aber heute war es ihr gelungen. Sie achtete darauf, kein Zeichen ihres Triumphes offen zu zeigen.
»Korben«, sagte die Älteste verdutzt. »Der Kr... – der Lehrjunge des Heilers? Nun, Kind, er ist noch nicht reif für das Noviziat. Zu sprunghaft, zu wenig zuverlässig in seinem Bemühen. Ehrgeizig, ja, ehrgeizig ist er sicherlich. Aber das reicht nicht aus, und ob er das Zeug zu einem Mitglied unseres Ordens hat ...« Sie unterbrach sich und räusperte sich unwillig. »Wir reden hier nicht über Korben«, sagte sie streng. »Lenk nicht ab, junge Dame!«
Die Oberste Hexe zog sich wieder hinter ihren Schreibtisch zurück und strich glättend über die Ärmel ihrer weißen Robe. Anna sah mit Unbehagen auf die kostbare Nachbildung des Herzens der Welt, das mit kaltem Feuer auf ihrer Brust funkelte. Der Anblick bereitete ihr jedes Mal eine Gänsehaut, und sie konnte sich nicht erklären, woran das lag.
Herrads Stimme riss sie unsanft aus ihren Grübeleien. »Deine Lehrerin ist recht zufrieden mit deinen Fortschritten.« Die Hexe blätterte wieder in den Papieren auf ihrem Tisch, schien in Gedanken anderswo zu sein. »Ich denke, du solltest noch einen anderen Stoff dazu nehmen, damit du keine Zeit hast, Trübsal zu blasen. Was würde dir liegen?«
Anna runzelte kurz die Stirn. Ihr rundes Gesicht entspannte sich und zeigte erstmals in diesem Gespräch eine nachdenkliche, ernstlich interessierte Miene, was Herrad mit Wohlgefallen gewahrte.
»Ich weiß nicht«, begann die junge Frau zögernd, »ich würde gern etwas lernen, was weniger mit Magie zu tun hat. Etwas – Brauchbares, Praktisches.« Sie kniff leicht die Augen zusammen. »Was der Heiler lehrt ...«, fuhr sie fort.
Herrad verzog den Mund, als hätte sie in etwas Bitteres gebissen. »Entspringt deine Neigung möglicherweise dem Wunsch, deine Bekanntschaft mit dem Lehrling des Heilers zu vertiefen?«, fragte sie säuerlich.
Anna sah sie mit großen, ernsthaften Augen an. »Aber nein«, versicherte sie mit Überzeugung. »Ich würde mich wirklich gern mit der Heilkunst beschäftigen. All die Kräuter und nützlichen Pflanzen, und wie man Krankheiten begegnet und Verletzungen kuriert ... das interessiert mich sehr! Und es braucht nicht unbedingt magische Befähigung«, setzte sie leise hinzu.
Der misstrauische Blick wich bei diesen Worten langsam aus Herrads Augen, und Anna sah sie noch dazu mit so entwaffnender Ehrlichkeit an, dass die Oberste Hexe nachgab.
»Nun gut. Ich werde Meister Wilber deinen Wunsch mitteilen. Er soll dich eine Zeit lang unterrichten, und dann sehen wir, ob deine Wissbegier auch Bestand hat oder nur eine Luftblase ist.« Sie nickte kurz und abschließend, und Anna erhob sich, knickste wieder und verließ mit einem erleichterten Aufatmen den Raum.
Meister Wilber zeigte sich wenig begeistert, als Anna zum ersten Mal als seine neue Schülerin vor ihm stand. Er musterte sie vom Kopf bis zu den Füßen und fuhr sich mit ratloser Miene durch das lockige graue Haar. »Das ist natürlich sehr schön, dass du bei mir lernen willst, Anna«, hob er zögernd an.
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