Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
AnidA - Trilogie (komplett)

AnidA - Trilogie (komplett)

Titel: AnidA - Trilogie (komplett) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Gerdom
Vom Netzwerk:
seinem schweren Leib.
    »Steh da nicht so an der Tür herum«, knurrte er. »Du wirst auf deine alten Tage wohl noch närrisch, Weib?«
    Ida trat wortlos ans Bett und stellte das Tablett auf dem niedrigen Tischchen ab. Joris hatte sich immer noch nicht zu ihr umgedreht, aber von hier aus konnte sie sein Gesicht sehen. Es war von tiefen, bitteren Falten durchzogen und zeigte nichts als den heftigen Groll, den er dem Geschick zollte. Einzig seine hellen Augen schienen etwas von der Trauer zu verraten, die in seinem Gemüt wohnte, und das wohl schon seit Jahren.
    Ida tat einen zittrigen Atemzug. Joris wandte erstaunt den Kopf. Seine Augen weiteten sich, und die scharfen Falten um seinen Mund wurden tiefer, doch er sagte kein Wort. Er musterte Ida wie einen fremden Eindringling, den er in seinem Zimmer überrascht hatte, kalt und ohne ein Zeichen von Zuneigung. Ida ließ die Musterung über sich ergehen, ohne zu blinzeln. Die Sekunden dehnten sich unerträglich, bis sie schließlich nervös mit den Augen zuckte. Joris hielt ihren Blick noch einen Lidschlag länger fest, dann wandte er sich wieder ab und sah aus dem Fenster. »Was willst du hier?«, fragte er gleichgültig.
    »Vater«, sagte Ida hilflos.
    Er regte sich nicht. Sein abgewandtes Gesicht war eine teilnahmslose, starre Maske uralten Zorns, der im Laufe der Zeit schal und kalt geworden war. Ida wusste nicht, was sie zu ihm sagen sollte. Sie hockte sich auf einen Schemel, der neben dem Bett stand, und blickte stumm auf den kranken Mann. Seine Hände bewegten sich unruhig auf der Decke, zupften daran, strichen sie wieder glatt, die einzigen Zeichen, dass er ihre Anwesenheit zur Kenntnis nahm und dass sie ihn trotz aller zur Schau gestellten Gleichgültigkeit in Aufregung versetzte.
    »Vater, es tut mir leid«, sagte Ida mit aller Festigkeit, die ihr zur Verfügung stand. »Ich hätte nicht einfach so davonlaufen dürfen, das stimmt. Aber ich war noch sehr jung und sehr hilflos. Ich wusste damals nur, dass du mir niemals erlauben würdest, den Weg zu gehen, den ich gewählt hatte.« Er würdigte sie immer noch keines Blickes und keiner Reaktion, aber sie sprach dennoch weiter.
    »Ich werde fortgehen und niemals zurückkehren, wenn du das wünschst. Ich möchte dir nur sagen, dass ich dich immer geliebt habe. Ich habe nicht gewusst, was hier geschehen ist. Ich hätte dich nicht allein gelassen, wenn ich es gewusst hätte, bitte glaube mir. Ihr habt mir nie geschrieben, wie es euch geht ...« Ihre Stimme versagte. Sie stand hastig auf. »Ich wünschte, ich hätte dir helfen können. Leb wohl.« Sie wartete eine Sekunde lang und wandte sich dann zur Tür.
    »Ida«, erklang seine knarrende Stimme. Sie drehte sich ungläubig um, die Hand auf dem Türknauf. Er hatte sich nicht geregt, aber sie hatte sich doch nicht eingebildet, seine Stimme gehört zu haben.
    »Vater?«, fragte sie unsicher und ging zurück zum Bett. Joris starrte noch immer zum Fenster hinaus. Sein Blick war blind geworden, und auf seinen Wangen glänzte es feucht.
    »Du siehst aus wie ein Mann«, sagte er heiser, ohne sie anzusehen. »Du trägst Männerkleider, und dein Haar ist kurz wie das eines Mannes. Deine Schwester ist ihrem Gatten eine gute Ehefrau, sie hat ihm Kinder geboren. Sie macht ihm und mir Ehre. Was bist du, Ida?«
    Ida ballte die Hände. »Ich bin eine Frau«, sagte sie ruhig. »Ich mag mich anders kleiden als Amali oder Ysabet. In vielem lebe ich mein Leben sicherlich anders als sie, aber dennoch bin ich eine Frau, Vater. Ich bin deine Tochter, erinnerst du dich an mich?« Eine gewisse Schärfe schwang in ihrer Stimme mit, die sie vergeblich zu unterdrücken suchte.
    Joris mied immer noch ihren Blick. »Wahrscheinlich tust du auch Arbeit wie ein Mann, trägst eine Waffe, treibst dich überall herum und liegst des Nachts bei einer Frau, hm? Was willst du hier, warum bist du zurückgekommen?« Auch seine knarrende Stimme hatte sich vorwurfsvoll erhoben. Ida zuckte leicht zusammen.
    »Vater«, sagte sie leise. »Wenn ich sage, es tut mir leid, dass ich davongelaufen bin, so heißt das nicht, dass ich es bereue. Meine Entscheidung war richtig. Ich würde sie heute genauso treffen wie damals.« Sie zögerte. »Aber ich würde mich nicht mehr bei Nacht und Nebel davonstehlen«, setzte sie hinzu. »Ich würde dich bitten, mich gehen zu lassen.«
    Er wandte ihr erstmals sein Gesicht direkt zu. Die Feuchtigkeit, die sie eben noch in seinen Augen gesehen hatte, war spurlos verschwunden, und

Weitere Kostenlose Bücher