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AnidA - Trilogie (komplett)

AnidA - Trilogie (komplett)

Titel: AnidA - Trilogie (komplett) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Gerdom
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neugierig, während Ysabet ihr das Lager in ihrem alten Zimmer bereitete. Die Tante beugte sich tief über das Bett und steckte sorgfältig das Laken fest.
    »So, du wirst schlafen wie ein Mäuschen«, sagte sie munter. »Und morgen werden wir Amali und ihre Kleinen besuchen. Sie hat jetzt fünf Kinder, stell dir vor! Drei Mädchen und zwei kräftige kleine Jungen.« Ihre Augen wichen Idas forschendem Blick aus.
    »Also gut«, sagte Ida geduldig. Sie küsste ihre Tante auf die weiche Wange. »Bis morgen dann, Tante Ysabet. Aber morgen wirst du mir erzählen müssen, was hier los ist.«
    Die Tante presste die Lippen zusammen und sah aus, als würde sie wieder anfangen zu weinen. Aber sie nickte nur und wünschte Ida eine gute Nacht, ehe sie hinausging und die Tür leise hinter sich schloss.
    Ida blieb noch einen Moment mitten in der Kammer stehen und fragte sich, was ihre sonst so unerschütterliche Tante derart aus der Fassung bringen mochte. Dann seufzte sie halb ärgerlich, halb gerührt und ging zum Fenster. Zumindest hatte dieser Empfang sich sehr angenehm von dem unterschieden, den sie sich in ihren verzagteren Momenten ausgemalt hatte. Sie öffnete das Fenster weit und setzte sich für einige tiefe Atemzüge auf die Fensterbank. Der Garten lag still und dunkel unter ihr. Es duftete betäubend süß nach Rosen. Ida beugte sich weit hinaus und strengte ihre Augen an. Tanzten dort Funken in der nächtlichen Luft? Sie rief leise: »Fiamma!«, aber niemand antwortete. Über sich selbst lächelnd rutschte sie vom Fensterbrett und ging zu Bett.

~ 8 ~

    Ida wurde von den altvertrauten, fast vergessenen Geräuschen des erwachenden Hauses geweckt. Ein misstönend krähender Hahn begrüßte die aufgehende Sonne, und aus der Küche klang das leise Schelten ihrer Tante herauf.
    Ida reckte sich und sprang aus dem Bett. Sie tappte auf bloßen Füßen zum Fenster und stieß die Läden weit auf. Sich hinausbeugend, sog sie tief die frische, noch kühle Luft der Morgendämmerung ein, die nach feuchtem Gras und Sommer schmeckte, und stieß sie in einem langen Atemstoß wieder aus. Die alten Apfelbäume standen dicht belaubt und voller reifender Früchte, und im dunklen Grün der Johannisbeersträucher blitzte es rot. Ida kam es vor, als wäre sie niemals fortgewesen. Sie zog sich an und sprang die Treppe hinunter.
    Erst jetzt, im Licht des Morgens, fielen ihr die vielen weißen Strähnen in Ysabets Haar auf, und die Falten und Kerben, die ihr einst so glattes Gesicht durchzogen. Sie umarmte ihre Tante, die mit mehlbestäubten Armen vor ihr in der heißen Küche stand, und stibitzte sich einen der Wecken, die zum Abkühlen auf dem langen Holztisch lagen.
    Ysabet klapste ihr auf die Finger und schimpfte: »Wirst du wohl bis zum Frühstück warten, du ungezogenes Kind?« Ida warf den heißen Wecken von einer Hand in die andere und tänzelte lachend beiseite. Sie hockte sich mit angezogenen Beinen auf die Eckbank und sah zu, wie Ysabet und die Küchenmagd ein weiteres Blech mit dem duftenden Backwerk aus dem riesigen gemauerten Herd zogen. Vergnügt brach Ida den knusprig braunen, dampfenden Wecken auseinander und roch an seinem weißen, lockeren Inneren. Sie langte über den Tisch und zog sich die Butter heran, die goldgelb in der Sonne leuchtete.
    »Du verdirbst dir noch mal den Magen«, brummelte Ysabet und lächelte sie an. Dann wandte sie sich an die Magd: »Mach dem Herrn sein Frühstückstablett fertig, Wieke.« Sie drehte sich, die Hände an der Schürze abtrocknend, zu Ida um und bedeutete ihr wortlos, mit ihr die Küche zu verlassen. Ida faltete neugierig ihre langen Glieder auseinander und folgte Ysabet hinaus in den Küchengarten. Ihre Tante blieb einen Moment lang unschlüssig an der Tür stehen und setzte sich dann auf die kleine Bank, die unter dem Fenster stand.
    »Komm her zu mir, Kind. Ich denke, ich muss dir noch die eine oder andere Sache erklären, ehe du deinen Vater aufsuchst.«
    Ida ließ sich neben ihr nieder und sah sie aufmerksam an. Sie hatte Ysabets gestriges Verhalten der Aufregung über ihr plötzliches Erscheinen zugeschrieben und nicht weiter darüber nachgedacht. Aber jetzt sah sie die Schatten, die auf dem freundlichen runden Gesicht ihrer Tante lagen, und begann sich vor dem zu ängstigen, was sie nun hören würde.
    »Es gibt wohl keinen Weg, es dir schonend beizubringen.« Ysabet sah Ida mütterlich und besorgt an. »Du weißt, dass dein Vater sich damals schrecklich darüber aufgeregt hat, dass

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