Anidas Prophezeiung
dich nicht von ihm aushorchen! Du weißt, worauf es ankommt?«
Ida nickte ungeduldig. »Es wäre allerdings leichter für mich, wenn ich ein wenig mehr über die Art der Geschäfte wüsste, die du mit diesem Storn machst«, gab sie zu bedenken.
Marten fixierte sie mit einem unangenehmen Lächeln. »Es ist besser, wenn du nicht zu viel weißt. Ich will nicht schuld daran sein, wenn du unruhig schläfst, Prinzessin.«
Sein Tonfall war scherzhaft, trotzdem war Ida bis ins Mark erschüttert. Sie durfte sich um ihrer eigenen Sicherheit willen nicht einlullen lassen und keinen Moment lang in ihrer Aufmerksamkeit nachlassen. Dieser fette Mann war ein gewissenloser Schurke, und so, wie es aussah, erwartete sie in der nächsten Zeit die Bekanntschaft einiger mindestens genauso gefährlicher Freunde von ihm.
Marten wandte sich vom Fenster ab und hob den Deckel von einem Topf mit vor sich hinköchelnder dicker Brühe. Er musste einiges an Lebensmitteln in seinen Packtaschen befördert haben, überlegte Ida müßig. Sie wunderte sich nicht darüber. Jemand, der so aussah wie Marten, würde sich kaum auf die Ungewissheit einlassen, unter Umständen eine oder gar mehrere Mahlzeiten auslassen zu müssen.
Vom Fluss erklangen raue Rufe. Ida sah aus dem Fenster und konnte beobachten, wie der Kahn am Ufer anlegte. Ein schlanker Mann sprang an Land und rief dem Mann am Ruder ein scharfes Kommando zu, das der mit einer Handbewegung bestätigte. Der Mann kam schnellen Schrittes auf das Haus zu. Marten warf einen kurzen Blick an ihr vorbei und wandte sich wieder dem Herd zu. Sein Gesicht zeigte keine deutbare Regung, er bemerkte nur halblaut: »Storn.«
Die Tür zum Hof wurde geöffnet, und Marten drehte sich halb zu dem Eintretenden um, seinen Kochlöffel in der Hand. »Pünktlich zum Essen, alter Freund«, begrüßte er den Mann, der in der Tür zögerte, als er Ida erblickte. Beide sahen sich wachsam an.
Storn war etwas jünger als Marten und hatte ein angenehmes, scharf geschnittenes Gesicht unter glattem dunklem Haar, das er streng aus der Stirn gestrichen trug. Sein schmaler Mund verzog sich zu einem fragenden Lächeln, und er warf Marten einen auffordernden Blick zu.
»Storn, das ist Stefan, mein – Freund.« Storn war das kurze Zögern in Martens Stimme nicht entgangen. Er hob eine Braue und trat geschmeidig auf Ida zu, ihr eine Hand zum Gruß reichend. Sein linkes Auge war von einem milchigen, fast weißen Blau, während das andere sie dunkel und scharf musterte.
»Es freut mich, Eure Bekanntschaft zu machen, Stefan. Ich habe nicht geahnt, dass Marten einen Freund mitbringen würde. Ich weiß nicht, ob das zu den gegebenen Umständen eine glückliche Entscheidung ist ...« Er ließ seine Stimme unbestimmt verklingen und blickte von Ida zu Marten.
»Storn, halt keine Ansprache«, knurrte Marten. »Wen ich mitbringe und ob das eine gute Entscheidung ist, bestimme immer noch ich. Setz dich hin und halt den Mund. Ich muss das hier noch abschmecken, und dabei werde ich, wie du weißt, nicht gerne gestört.«
Storn überraschte Ida dadurch, dass er kurz und nicht im mindesten gekränkt auflachte und sich brav an den Tisch setzte. »Ich habe mich den ganzen Tag schon auf dein Essen gefreut, Marty. Dazu habe ich uns einen guten Tropfen aus dem Westen mitgebracht.« Er wandte sich lebhaft an Ida, die sich auf Martens unauffälligen Wink hin mit leisem Unbehagen zu ihm gesetzt hatte. »Ihr kennt Marten schon lange, Stefan? Er hat mir nie von Euch erzählt.«
»Wir sind uralte Freunde«, antwortete Marten an Idas Stelle und ließ sich von Storn den Teller geben, der vor ihm auf dem Tisch stand. Während er ihn mit dem heißen Eintopf füllte, fuhr er im Plauderton fort: »Ich kenne Stefan, seit er ein Kind war. Wir hatten uns in den letzten Jahren zwar ein wenig aus den Augen verloren, aber das hat unserer Freundschaft keinen Abbruch getan.«
Er stellte den vollen Teller vor Storn und griff nach Idas Teller. Marten schöpfte den Teller voll und reichte ihn ihr, wobei er sacht ihre Hand streifte. Storn wandte seinen irritierenden Blick nicht von Ida, und seine Miene drückte gelinde Verwunderung aus.
»So, guten Appetit allerseits«, wünschte Marten und setzte sich zu ihnen.
Storn blies über seinen Löffel und probierte. Ein zufriedenes Lächeln glitt über seine Züge. »Wunderbar, Marty. Du bist ein Künstler am Herd.«
Marten quittierte das Lob mit einem leichten Senken seines schweren Kopfes. Die drei aßen schweigend,
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