Anidas Prophezeiung
wobei Ida wie auf glühenden Kohlen saß. Die Geschichte, die Marten Storn erzählt hatte, konnte sich im Nachhinein als üble Falle erweisen. Wenn Storn die falschen Fragen stellte ...
»Was ist mit der Fracht?«, fragte Marten, als er allen eine zweite Portion ausgeteilt hatte.
»Alles erstklassige Ware, Marty, genau wie bestellt. Du wirst dieses Mal keine Reklamationen bekommen. Wir haben heute auch den Ersatz für diesen mäkeligen Kunden aus der Residenz, du weißt schon.« Er zwinkerte Marten zu, und der nickte anerkennend.
»Das ist gut, er wurde schon mehr als ungeduldig.« Marten warf einen flüchtigen Blick hinaus und setzte beiläufig hinzu: »Ich würde an deiner Stelle heute Nacht noch weiterfahren. Die Grenze ist gerade offen, das erspart dir einige Mühe. Mein Mann übernimmt die Ware dann auf unserer Seite.«
Storn wischte seinen Teller aus und lehnte mit einer bedauernden Geste eine weitere Portion ab. Marten sah Ida fragend an, die ebenfalls den Kopf schüttelte. Er holte sich selbst noch einen Teller voll und schnitt noch einen ordentlichen Kanten Brot dazu ab.
»Ich schicke Danil schon einmal alleine los«, sagte Storn. »Wir haben nur einen Teil der Ware auf diesem Transport unterbringen können, der Rest kommt mit Piros Kahn hinterher. Er müsste eigentlich schon längst da sein, aber vielleicht musste er anhalten, um einer Kontrolle durch die Protektoren zu entgehen. Ich möchte ihn hier erwarten, um sicherzugehen, dass alles in Ordnung ist.«
Marten hörte nicht auf zu kauen. Seine Miene war gleichmütig, aber Ida hatte bemerkt, dass seine Stirn sich für einen Moment missmutig krauste. »Dann werde ich die Ladung noch schnell kontrollieren, ehe Danil weiterfährt.« Er schob seinen halb geleerten Teller beiseite und stapfte hinaus.
Ida räusperte sich unbehaglich und suchte nach einem unverfänglichen Gesprächsthema. Storn blickte sie unverwandt an, ein leises Lächeln in seinem Gesicht. »Und, was denkt Ihr über unser Geschäft?«, fragte er endlich.
Ida hob die Schultern. »Ich weiß nicht annähernd so viel darüber, wie mir lieb wäre. Marten ist ausgesprochen verschlossen, was das betrifft. Nicht, dass es mich nicht interessieren würde. Man möchte schließlich weiterkommen.«
Die Augen des schlanken Mannes verengten sich. Er blickte Ida prüfend an. »Ja«, sagte er sanft. »Das ist sicher richtig. Ein junger Mann wie Ihr hat noch Ehrgeiz, das ist gut. Unser lieber Marty lässt leider in der letzten Zeit etwas nach. Nun ja, er wird eben älter – und nicht gerade dünner.« Er lächelte und zwinkerte ihr zu. Ida zwang sich zu einem zustimmenden Lachen. Was sie hier tat, war gegen jede Abmachung und Marten gegenüber alles andere als fair, aber sie roch endlich eine Möglichkeit, etwas über die Machenschaften zu erfahren, mit denen der Wirt sein unsauberes Geld verdiente. Deshalb grinste sie Storn verschwörerisch an. »Vor Euch scheint er jedenfalls großen Respekt zu haben, nach dem, was er mir über Euch sagte.«
Storn verzog keine Miene. Sein getrübtes linkes Auge blinzelte nicht, was seinem Gesicht etwas Lebloses gab, wenn die andere Hälfte, wie jetzt, im Schatten lag. »So, hat er das«, sagte er langsam und ausdruckslos.
Ida rieb sich nervös über die Wange. Sie trieb hier ein gefährliches Spiel, wenn man bedachte, dass sie nicht einmal wusste, mit welchem Blatt sie spielte. »Wollt Ihr Tee?«, fragte sie scheinbar unbekümmert. »Ich hätte jetzt Lust darauf, Ihr auch?« Storn schüttelte schweigend den Kopf. Ida begann, sich seines stechenden Blicks nur zu bewusst, am Herd herumzuhantieren.
»Wir werden uns heute Nacht unterhalten«, sagte er unvermittelt. »Wenn Marty sich erst einmal abgefüllt hat, haben wir Ruhe und Gelegenheit dazu. Ich denke, wir haben uns allerlei Nützliches mitzuteilen, mein lieber Stefan.« Ida nickte mit trockenem Gaumen. Vielleicht wäre es angebracht, Marten vorher noch die eine oder andere Information über diesen Storn zu entlocken.
Die Tür knarrte, und Martens schwere Schritte näherten sich. Vom Fluss her erschollen gedämpfte Kommandos. Storn sah Marten lächelnd entgegen. Der dicke Mann hatte unzufrieden die Lippen geschürzt und ging wortlos zum Herd hinüber, um seine unterbrochene Mahlzeit mit einer frischen Portion fortzusetzen.
»Was machst du für ein Gesicht, Marty? Hast du deinen Eintopf in den falschen Hals bekommen?«, scherzte Storn.
Marten knurrte gereizt und setzte sich schwer neben Ida, die ihren
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