Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Animal Tropical

Animal Tropical

Titel: Animal Tropical
Autoren: Pedro Juan Gutiérrez
Vom Netzwerk:
am tiefsten gedemütigte Hund auf Erden zu sein. Mit tränenverschleierten Augen öffne ich die Tür zu meiner Wohnung. Wer, zum Teufel, kommt schon auf die Idee, sich in eine Nutte zu verlieben? Ein Mann meines Alters sollte viel vernünftiger handeln. Ein bisschen mehr denken. Wann, verflucht noch mal, werde ich lernen, mich nicht zu verlieben? Ohne die Schuhe auszuziehen, werfe ich mich aufs Bett und sage mir immer wieder:
    »Du musst Abstand halten, Pedro Juan, du musst Abstand halten, du musst Abstand halten, du musst Abstand halten.« Dann setzte ich mich an die Theke einer wunderschönen Bar aus den Fünfzigerjahren. Ganz ähnlich dem Sloppy Joe, aber nach außen geschlossen und elegant. Die Kellnerin war Gloria, aber sie kannte mich nicht. Gloria, ein bisschen älter, eleganter und schweigsamer. Ganz in der Nähe auf einem anderen Barhocker saß ein Typ, der Humphrey Bogart ziemlich ähnlich sah und einen Whisky auf Eis trank. Sein Blick wirkte verloren, und nichts interessierte ihn. Vielleicht war’s wirklich Bogart. Alles war wie im Film. Das Licht unterstrich die warmen Farben und die Schatten. Gloria war noch etwas größer und schlanker, etwas zurückhaltender und noch begehrenswerter. Sie servierte mir ein warmes, duftendes Sandwich aus Toast, Schinken, Käse und Gurken. Ich hatte Riesenhunger und verschlang es gierig. Dazu trank ich ein Bier direkt aus der Flasche und fühlte mich recht wohl, so schweigsam essend und trinkend in diesem Film, der eigentlich kein Film war. Nur Gloria, Humphrey Bogart und ich. Dann lauschte ich der Musik. Das Prélude à l’après-midi d’un faune von Debussy. Was weiter geschah, weiß ich nicht. Ich kann mich nicht erinnern.

4
    Als ich aufwache, ist es elf Uhr morgens. Die Sonne brennt heiß auf den Faserzement des Dachs. Das Zimmer ist ein Ofen. Ich stehe auf und öffne Fenster und Türen. Wir haben erst Februar, aber es ist schon heiß wie im August. Das Meer ist still und glatt wie ein Teller, und kein Lüftchen regt sich. Schwüle. Hätte die Schwedin das große Los gezogen, würde ich jetzt auf einer schönen Segelyacht durch die Karibik schippern und mich nicht in Okinawa mit irgendwelchen Negern in die Wolle kriegen. Verdammte Scheiße, na, immerhin habe ich zweihundert Aspirintabletten aus Deutschland mitgebracht. Mit einem Glas Wasser spüle ich zwei hinunter. Immerhin etwas. Zwar habe ich keine schwedische Yacht, bin aber Eigentümer von zweihundert deutschen Aspirintabletten. Von einhundertachtundneunzig, genauer gesagt. Ich habe einen furchtbaren Kater. Der Rum war die reinste Säure. Er verätzt mich bis in die Eingeweide. Wann, zum Teufel, wird man endlich einen guten Schnaps für die Armen dieser Welt herstellen, für all die, mit denen ich gemeinsam mein Glück versuche? Ich habe Kopfschmerzen, Durst und Hunger. Ich mache mir einen Kaffee und gehe hinaus auf die Dachterrasse. Mir gefällt das Meer bei Schwüle. Eine der schönsten Zeiten meines Lebens waren die Jahre, die ich in Matanzas mit Kajakfahren und Schnepfenjagd verbrachte. Ich war ein ignoranter Sportler und ein Esel. Das ist die Garantie für Seelenfrieden. Während ich so auf der Dachterrasse sitze und Kaffee trinke und auf das Wasser blicke, erscheinen plötzlich Schmetterlinge. Tausende Schmetterlinge. Sie kommen vom Meer und fliegen nach Nordosten. Es mögen hunderttausende sein. Ob sie die neunzig Meilen von Florida rübergekommen sind? Es scheint so. Schnell fliegen sie über das Haus und weiter. Sie suchen die Felder südlich der Stadt. Ihre Farben glänzen in der Sonne. Nie hätte ich geglaubt, dass es so etwas gibt. Wie schön! Der bittere Kaffee belebt mich wieder. Da höre ich Glorias Armreifen klirren. Sie klingen wie Kastagnetten. Ich lehne mich in den Schacht des Innenhofes und sehe sie durch die Fenster hindurch. Doch etwas weiter unten im sechsten Stock sieht mich ein Hund und fängt an zu bellen, während er hochschaut. Im fünften Stock hängt eine neue Nachbarin Wäsche auf. Sie ist eine zwanzigjährige Mulattin, und ihr Mann ist ein Italiener von fünfundsechzig. Sie geben ein gutes Paar ab. Der Kerl hat ihr die ganze Wohnung renoviert, und sie wohnt jetzt wie eine Königin. Der verfluchte Köter bellt immer weiter, als wollte man ihn abschlachten. Gloria wischt in aller Ruhe den Fußboden. Sie tut unschuldig. Vor ein paar Tagen sagte ein junger Mann auf der Straße zu ihr: »Mädchen, dir steht die Pornografie ins Gesicht geschrieben. Du kannst es nicht verbergen.« Das
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher