Animal Tropical
Ordnung, die Böden blitzeblank, es riecht nach Putzmitteln. Sogar Blumen hat sie in ein paar Blumentöpfen gesät. Und ganz entspannt setzt sie sich hin, um sich eine Fernsehserie anzusehen. Ich darf nicht einmal Witze machen, während dieser Schwachsinn läuft, der nicht zum Aushalten ist, mit einer dummen Blondine, die ständig lacht wie eine Möwe. Sie ist völlig konzentriert, lacht, weint, kaut Fingernägel, taucht ein in den Film. Ich ertrage sie nicht. Ich weigere mich, mit der Blödheit unter einem Dach zu leben. Ich muss an mich halten, um sie nicht die Treppe runterzuschmeißen. Aber wenn sie mit ihrer Rolle als Dame-Mama-Hausfrau fertig ist, verwandelt sie sich aufs Neue. Es sprießen ihr Reißzähne, und sie ist wieder die Wolfsfrau, die große Verführerin, die Männer-Verschlingende, die Viper. Gloria, die Kubanerin. Gloria, die Femme fatale. Mein Wahnsinn, meine Liebe, die Frau, die ich begehre. Die, bei der ich mich wie ein Ziegenbock fühle, blökend vor Vergnügen auf dem Gipfel eines Berges.
So ist das Leben. Schmerz und Freude. Ich trinke eine Tasse Kaffee, zünde eine Zigarre an und gehe runter auf den Markt. Ich lasse sie mit ihrer Fernsehserie. Ich ziehe mir ein ärmelloses rotes Hemd an und fühle mich stark wie ein Stier. Mit meiner Tätowierung, die auf der nackten Haut in der Sonne prangt. Ich vögele gern auf die harte Tour mit Gloria. Auf die harte Tour. Ein paar Stunden schwitzen, dann raus und allein einen Spaziergang machen. Mit meinem Aroma nach Schweiß, Samen, Gloria, Bett. Ein starkes, kerngesundes Tier. Ein vitales und muskulöses Fohlen, das die Lagunas oder Ánimas entlang Richtung Belascoaín spaziert. Ich fühle mich wie ein frei umherstreifendes, sich aufbäumendes Pferd, mit kitzelnden, fruchtbaren Spermien in mir, die ungeduldig darauf lauern, hinaus zu einer Eizelle zu gelangen. Fröhlich und kitzelnd sind sie, meine Spermien, meine mikroskopischen Kinder, lachend, voller Fröhlichkeit in mir, darauf wartend, dass der Schuss ertönt und der Riegel aufgeht, um in aller Geschwindigkeit zur Eizelle zu schwimmen. Sie wissen Bescheid. Nur einer von ihnen wird seinen Kopf hineinstecken und sich mit aller Kraft hineinzwängen können.
13
Gloria und ich sind zwei vom Dämon besessene Seelen, jeden Tag mehr. Der Zuhälter und die Hure. Das Mädchen und der Vater. Der Vampir und das Opfer. Das Licht und der Schatten. Christus und das Kreuz. Der Sadist und die Masochistin. Sie ist hingerissen von meinem Knüppel, und ich hole das Letzte aus mir raus, um sie zu pfählen, ihr Blut zu trinken, ihren Speichel zu schlucken. Die Verrückte und der Verrückte. Wir werden noch in Mazorra enden. Was ist los mit uns? Was sind die Grenzen? Wer setzt die Grenzen? Wer erfindet sie? Wo sind sie? Wie weit kann ich gehen? Wenn ich den Roman schreiben sollte, mit ihr als Protagonistin, was könnte ich dann über all das hier sagen? Was muss ich indirekt sagen, andeuten? Soll ich alles sagen? Habe ich den Mut, bis zum Ende zu gehen und mich vollständig zu entblößen? Ist das nötig? Ich bin ein Exhibitionist. Striptease. Das ist es, was ich tue: Striptease. Heute Nachmittag habe ich ein Fragment aus Don Quijote gelesen, für Radio Exterior aus Spanien. Heute ist irgendein Cervantes-Tag. Ich glaube, sein Geburtstag. Ich mag solche Lesungen nicht, aber man kann ja nicht immer den Muffel spielen. Während wir auf den Moment warteten – wir waren drei Schriftsteller –, zitierte einer Michel Butor aus Die Schrift der Katastrophe. Der andere erwiderte, indem er das Buch mit Lezama Lima in Verbindung brachte. Ufff, es ist unmöglich, einen Gleichgewichtspunkt zwischen der Scheiße und den Wolken zu finden. Ich trat auf den winzigen Balkon hinaus, um frische Luft zu schnappen. Wenigstens ist die Landschaft von Alt-Havanna atemberaubend. Als ich an der Reihe war, ergriff ich den Telefonhörer und las ein Stückchen aus dem Buch vor. Irgendwann sagte man mir: »Danke, Kuba.« Ich hörte auf zu lesen. Wartete einen Moment. Wieder dieselbe Stimme: »Wir sind nicht mehr auf Sendung, alles klar, vielen Dank.« Magnetisch angezogen ging ich zu der Bar an der Águila Ecke Virtudes. Ich war durstig. Ich trank mehrere Polar-Biere. Eiskalt. Zwei Kellner und drei, vier Stammgäste tranken Rum. Alle sprachen sehr leise. Fast im Flüsterton. Ein kleiner, sehr magerer Polizist, der in der Ecke ein paar Meter neben uns stand, beobachtete uns aus den Augenwinkeln. Vier kleine, ganz junge Nüttchen kamen vorbei.
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