Animal Tropical
Spazierten auf und ab. Sahen uns, die wir an der Theke lehnten, fest in die Augen. Wir waren alle zwischen fünfzig und sechzig. Die kleinen Nüttchen verstanden ihr Geschäft. Ich hatte einen leeren Magen. Die Biere rumorten. Ich ging nach Hause und rief Gloria. »Sie ist nicht da, sie ist zu ihrer Cousine gegangen.« Ein paar Minuten später erhalte ich einen sehr sympathischen Anruf. Ein Club allein stehender Mädchen. Sie hatten meinen Namen und meine Telefonnummer aus dem Telefonbuch, rein zufällig. Per Telefon suchen sie einen Freund. Zu artig, diese Methode. Ich glaube es nicht. Ich frage sie:
»Sind die Damen jung, Jungfrauen? Aus irgendeinem Kloster oder Konvent?«
»Nein, nur allein stehend.«
»Aha, na gut, okay. Dann kann es sein.«
»Ich heiße Yamilé.«
Und sie beschreibt sich: Mulattin, zweiunddreißig Jahre alt. Ein sechzehnjähriger Sohn und eine fünfjährige Tochter, arbeitet als Zigarrendreherin in einer Tabakfabrik. Sie gab mir ihre Nummer. Wir reden weiter. Sie hat viel, worüber sie reden will. Sie ist sympathisch. Okay, wir verbleiben so, dass wir uns dieser Tage treffen wollen.
Gloria erschien abends um halb neun in ihrem kurzen, sehr kurzen gelben Kostüm, weißen hochhackigen Schuhen und weißem Schlüpfer. Wunderschön zusammen mit ihrer so braunen Haut, ihren so gut geformten Beinen und Schenkeln. Sie hat von nichts zu wenig oder zu viel. Alles an ihr ist perfekt. Hat genau die richtige Proportion. Nur die Hände und Füße sind ein bisschen ungepflegt. Sie ist auf ihrem Höhepunkt. Ich sage ihr, dass sie sich von jetzt an immer mehr vollendet, mehr Frau wird, wie eine reifende Frucht. Bislang war sie nur ein unartiges Mädchen. Über die dreißig hinaus wird sie besser werden. Ich erzähle ihr von Yamilé. Für mich war das Ganze ein Scherz. Aber Gloria hat diesen Scherz schon viele Male selbst gemacht: »Von wegen Scherz! Wenn du sie anrufst und ihr euch trefft, wirst du ihr bestimmt gefallen, und schon dreht sie dich durch die Mühle. Weißt du denn nicht, dass ich das auch getan habe?«
»Sie sagt, es sei ein Club …«
»Von wegen Club. Alles Schwindel. Ich kann dich wirklich nicht eine Stunde lang allein lassen. Immer stellst du etwas an!«
»Iiich? Man will was von mir. Ich mache gar nichts.«
Sie geht zum Notizblock neben dem Telefon. Da steht: Yamilé 791952. Sie zerreißt das Blatt in kleine Stücke.
»Ich bin hier für alles zuständig: für die Mulattin, die Schwarze, die Weiße, das Flittchen und die Hausfrau, für alles, absolut alles. Reiche ich dir nicht?«
»Ich habe mir die Nummer gemerkt. Willst du Kaffee oder Rum?«
»Beides.«
Ich ging in die Küche. Sie kam mir nach und nahm mir die Kaffeekanne aus der Hand:
»Lass, Papi. Ich mach das. Du musst dich daran gewöhnen, eine Frau im Haus zu haben, Schätzchen.«
Es ist besser, sie gewähren zu lassen. Alles in allem sehe ich sie gern in der Küche hantieren mit ihren klirrenden Silberarmreifen. Ich bin wie Pawlows Hund. Der Mund wird mir wässerig und der Schwanz steif, sobald ich das Geklirr ihrer Armreifen höre. Oder wenn ich sie ohne Schuhe durchs Haus laufen sehe. Ihre Füße und Hände erotisieren mich. Ich gehe ab wie eine Rakete, ohne zu riechen und zu berühren. Allein, sie im Kittel zu sehen, wie sie das Haus sauber macht, halb nackt, in Latschen oder barfuß, die Armreifen klirrend und der Plattenspieler mit Mark Anthony auf voller Lautstärke. Sie arbeitet ein wenig und fängt an zu schwitzen, und die Möse beginnt herrlich zu stinken. Kein Zweifel, ich bin ein vulgärer Kerl und ein Schuft. Nur ein weiterer gewöhnlicher Straßendieb. Es scheint eine Berufung zu sein. Elegante, aristokratische und parfümierte Frauen gefallen mir nicht.
Na ja, wenn ich es mir recht überlege, hat mir nur eine dieser ganz speziellen Damen gefallen, die in der Gegend um meine Dachterrasse herum ausstarben. Es war in einer Oktobernacht im Auditorium Nacional in Madrid. Ich saß ganz ruhig in meinem Logensessel. Das Berliner Symphonieorchester gab ein Konzert mit Beethoven und Brahms.
Natürlich begann das Programm mit der Fünften. Da nahm diese zarte, schlanke, magere Frau mit schwarzen Strümpfen, kurzem schwarzem Rock und einem leichten französischen Akzent neben mir Platz. Sie warf ihren Pelzmantel auf den Boden, trat verächtlich mit den Füßen darauf, bohrte ihre Absätze hinein und verschmutzte ihn. Ich sah ihr aus den Augenwinkeln zu, und mir gefiel ihr Sadomaso-Ausdruck. Sie hatte das Gesicht, den
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