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Animal Tropical

Animal Tropical

Titel: Animal Tropical Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pedro Juan Gutiérrez
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ausgelassen herum, laufen, beißen sich, knurren sich an, bellen. Bleiben mit alarmiert aufgestellten Ohren stehen, beschnuppern sich. Laufen ein bisschen weiter. Der Rüde besteigt das Weibchen. Ein einziges Mal. Rasch. Die Mädchen vergeuden keine Sekunde. Jedes ruft seinen Hund. Nehmen sie an die Leine. Verabschieden sich und entfernen sich in entgegengesetzte Richtungen. Die Hündin und der Rüde, ein bisschen hechelnd, gehorchen ihren Frauchen und laufen ebenfalls davon. Sie drehen die Köpfe um und sehen sich an, untröstlich und ängstlich. Der Rüde versucht zurückzulaufen. Beide sind völlig unbefriedigt geblieben. Ein harter Ruck an der Leine bringt ihn davon ab. Er zieht den Kopf ein und trottet neben seinem Frauchen her. Ich bleibe noch einen Augenblick lang auf dem Balkon und höre das Miserere zu Ende. Als ich zur Anlage gehe, sehe ich auf dem Digitalanzeiger, wie lange das Stück gedauert hat: 4:15. Alles geschah in weniger als vier Minuten. Vielleicht sind die jungen Mädchen jungfräuliche Schwedinnen. Oder schwedische Jungfrauen. Und verstehen nicht. Können es sich nicht einmal vorstellen.
    Als Agneta kommt, erzähle ich ihr davon, und sie erwidert mit weiblicher, unerbittlicher und perfekter Logik:
    »Wie alt mögen die Mädchen gewesen sein?«
    »Ungefähr … achtzehn, neunzehn Jahre.«
    »Nichts da, Jungfrauen. Sie wissen sehr wohl Bescheid, aber es hat sie gestört, dass die Hunde glücklich waren und sie nicht.«
    Sie kocht eine Tasse Tee. Vergeudet keine Zeit mehr damit, mir um sechs Uhr nachmittags Tee anzubieten. Sie setzt sich, um mir einen Pullover zu stricken. Seit Monaten strickt sie daran. Es herrscht keine Eile. So viel steht fest. Es herrscht keine Eile. Wir gehen nirgendwohin.
    Eine gute Weile sitzen wir da und schweigen. Sie trinkt Tee ohne Zucker und strickt. Ich überlege, ob ich mir einen Wodka Cola mixen und auf dem Balkon rauchen soll, aber es hat sich bewölkt, und die Temperatur sinkt rasch. Noch vor einer halben Stunde zeigte das Thermometer 22 Grad. Jetzt ist es schon bei 17.
    »Oh, schau her. Na, das wollen wir mal sehen. Vielleicht sind wir schon reich.«
    Sie hat einen Lotterieschein. Mit der Spitze ihrer Stricknadeln schabt sie daran. Nichts. Immer dasselbe. Manchmal setzt sie auf Pferde. Und verliert auch. Drei-, viermal in der Woche kommt sie mit Lotteriescheinen oder Pferderennen an.
    »Reich? Du wirst nur noch ärmer werden, wenn du das weiterhin jeden Tag kaufst.«
    »Nicht jeden Tag.«
    »Fast.«
    »Ich will eine alte Millionärin sein. Wie die Nachbarin meiner Mutter.«
    »Sie ist Millionärin?«
    »Zwölf Millionen Kronen.«
    »Woher weißt du das?«
    »Sie veröffentlichen es in der Zeitung. Jedes Jahr. Die Leute, die mehr Geld haben und die mehr Steuern zahlen.«
    »Das ist aber nicht gut. Man könnte sie entführen oder ermorden.«
    »Genau das sagen sie auch. Aber es gibt Pressefreiheit.«
    »Hmmm.«
    »Meine Mutter hat auch ein bisschen Geld.«
    »Steht sie in der Zeitung?«
    »So viel ist es nicht.«
    »Sie sollte etwas davon weitergeben.«
    »Ich glaube, sie hat Aktien. Sie kauft und verkauft an der Börse.«
    »Glaubst du?«
    »Ich weiß es nicht genau. Wir sprechen nie darüber.«
    »Warum?«
    »Wir sprechen nie über Geld. Ich nehme an, dass sie Aktien besitzt, weil sie in den Zeitungen immer diese Informationen liest.«
    Die Zeitung heute widmet sich auf zwei Seiten einem Rockfestival. Ich bitte sie, mir die Schlagzeile zu übersetzen: »Ein Mädchen starb auf dem Festival.«
    »Wie?«
    »Erstickt. Zu viele Menschen.«
    »Was sagt die Schlagzeile?«
    »Die Polizei nahm im Durchschnitt alle sechs Minuten einen Jungen fest.«
    »Das steht in der Schlagzeile?«
    »Ja.«
    »Gehen wir ein bisschen spazieren?«
    »Im Wald?«
    »Ja.«
    »Es ist windig.«
    »Macht nichts. Zieh dir was Warmes an, Agneta. Und los.«
    Wir zogen unsere Jacken und Schuhe an. Gingen im Wäldchen spazieren. Auf dem Weg neben dem Kanal.
    »Langweilst du dich im Haus, Pedro Juan?«
    »Manchmal schon.«
    Es ist kalt und windig. Ich stecke die Hände in die Jackentaschen. Ich habe ein Kaugummi. Nur ein einziges. Ich hole es heraus und halte es ihr hin: »Magst du ein Kaugummi?«
    »Ja.«
    Sie nimmt es. Und ich stehe da mit meiner Lust auf ein bisschen Pfefferminz-Kaugummi-Kauen. Eine sportliche Segelyacht fährt langsam den Kanal entlang zum offenen Meer. Man hört eine Symphonie. Sie kommt aus der Kabine der Yacht. In voller Lautstärke.
    »Diese Musik hört man besser

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