Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Animal Tropical

Animal Tropical

Titel: Animal Tropical Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pedro Juan Gutiérrez
Vom Netzwerk:
Balkon an. Stehe auf. Agneta regt sich auf: »Pedro Juan, die Nachbarn …«
    »Mach dir keine Sorgen. Bestimmt stehen schon alle hinter ihren Tüllgardinen und masturbieren.«
    »Ganz im Ernst. Man kann hier die Polizei rufen.«
    »Die Show ist gratis. Wetten, dass sie versteckt zusehen und masturbieren?«
    »Du spinnst.«
    »Hahaha. Los, komm.«
    Das Landhaus ist eine halbe Stunde Autofahrt entfernt. Zum Glück sind heute weder die Schwester noch die Nichten zu Besuch. Wir ganz allein. Es ist völlig abgeschieden, gleich neben einem großen Bauernhof mit Weiden und Schafen. Das nächste Haus ist hundert Meter entfernt. Dazwischen liegen Einfriedungen aus Stein und Büsche. Wir legen ein paar Matten in den hinteren Garten, ziehen uns nackt aus und lesen ein bisschen in der Sonne. Zwanzig Minuten später ziehen Wolken auf, und ein kalter Wind pfeift. Vorbei ist’s mit unserem kleinen Sonnenfest. Rein ins Haus. Innerhalb einer Stunde sinkt die Temperatur von 25 auf 15 Grad. Zum Glück ist das Wohnzimmer mit zwei weichen Sofas und plüschigen Teppichen ausgestattet, und die Wände sind mit Nussbaumholz vertäfelt. Der Kamin steht bereit, aber das wäre jetzt wohl doch ein bisschen übertrieben. Große Fensterfronten geben den Blick auf die herrliche Landschaft frei. Wir befinden uns auf einem Hügel. In der Ferne erstreckt sich die Ostsee, grau und neblig. Zwischen uns und dem Meer liegen ungefähr zehn Kilometer: eine Riesenfläche aus grünen Weiden, Weizenfeldern, Kartoffel- und Zwiebeläckern, Waldstücken, perfekt rotweiß gestrichenen Scheunen und Ställen, Kühen und Schafen sowie einer schmalen Straße, auf der Autos und LKWs rasch vorüberfahren. Ich ziehe meine Jacke an. Agneta liest sehr konzentriert.
    »Gehst du spazieren?«
    »Ja.«
    »Langweilst du dich?«
    »Nein, Agneta. Mir werden die Augen müde. Ich mach einen kleinen Gang.«
    Ich gehe hinaus auf die Straße. Überquere sie und schlendere langsam über eine Wiese. Etwa zweihundert Meter weiter stehen an der Straße mehrere Häuser mit einem Aushängeschild: Loppis. Flohmarkt. Eine weite Ebene erstreckt sich dort, und der kalte Nordwestwind fegt über die Gräser, Büsche und Blumen. Etwas weiter entfernt von der Straße, am Ende eines kurzen, schmalen Pfads, liegt eine große Hügelkette aus Schutt. Es sind Anhäufungen von Ziegelsteinen, Schiefer, Dreck, Bruch von Türen und Fenstern, zerbrochenen Glasscheiben, Stücken aus altem Holz. Sie steht im Kontrast zu der zarten, sparsamen Schönheit dieser von winzigen bunten Blumen und grünen, sepiafarbenen, weißen und gelben Sträuchern bedeckten Ebene. Kleinen, zitternden Pflanzen und Flechten und Moosen, die an den Steinen kleben.
    Ich gehe etwas weiter zum Loppis. Dort stehen ein paar Tische und Stühle sowie drei weiße Masten mit der schwedischen Fahne. Auf der einen Seite eine Reihe schmutziger, hässlicher Umzäunungen aus alten Holzresten, verkohlten Holzbrettern und Drahtstücken. Darin ein paar Hühner, Hähne und Kaninchen. Es ist niemand zu sehen. Nur der Wind und meine Schritte auf dem Kies sind zu hören. Ein Zelt aus Leinen steht da. Der Wind verfängt sich darin und lässt es knattern. Das Geräusch ist merkwürdig. Dem Zelt gegenüber stehen an die hundert Fahrräder, sehr alt und verrostet. Ich glaube, keines davon ist auch nur zwei Penny wert. Es ist ein Haufen Schrott, aber jedem ist ein Preisschild auf den Sattel geklebt. Ich sehe sie mir genauer an und vergleiche die Preise. Keine Ahnung, warum ich das tue. Ich gehe in das Zelt. Es ist voller gebrauchter Kleidung, Mäntel auf einer Kleiderstange, Weidenkörbe, Uhren, Lampen, Spiegel, Elektrokabel, Pfannen, Schreibmaschinen, Bügeleisen, Rasenmäher, Schalter, unbrauchbare Klingeln. Alles ist alt, zerbrochen, verstaubt. In einer Kiste liegen Peitschen. Aus geflochtenem Leder, vielleicht drei Meter lang. Etwa zehn Peitschen liegen auf dem Boden einer großen Kiste. Mit schwarzer Kohle steht der Preis auf dem Karton geschrieben: 10 Kronen, das heißt, etwas über einen Dollar. Aus einem Impuls heraus greife ich mir eine. Sehe sie mir genau an. Sie ist perfekt, geschmeidig und fast neu. Rasch rolle ich sie ein und stecke sie in meine Jackentasche. Keine einzige Krone werde ich dafür bezahlen. Ich will die Peitsche klauen.
    Ich gehe hinaus und in das andere Zelt hinein. Niemand zu sehen. Es hat den Anschein, als sei der Ort verlassen. Im anderen Zelt sind nur alte Bücher auf Schwedisch. Ein paar auf Englisch. Und noch mehr

Weitere Kostenlose Bücher