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Animal Tropical

Animal Tropical

Titel: Animal Tropical Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pedro Juan Gutiérrez
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war ein Ehrenmann. Ein sehr guter Mensch. Jetzt ist er tot. Er war ein sehr anständiger Mann.«
    »Kein Geschäftsmann ist anständig. Kein Politiker ist anständig. Niemand ist anständig. Was, bitte, ist Anstand? Mach mich nicht verrückt, Agneta. Ich werde die Kette von jemandem kaufen, der sie mir billiger lässt! Es ist mir egal, ob sie einer Touristin geklaut wurde, die ihr Gold in einem Land zur Schau gestellt hat, in dem die Menschen Hunger leiden. Hunger und Anämie! Das ist unanständig!«
    »Unanständig ist, was du tun willst: deine Goldkette vor deinen hungernden Nachbarn zu tragen.«
    »Ich gebe immerhin zu, unanständig zu sein und ein Individualist, vor dem lieber jeder in Deckung gehen sollte. Und ich stehe dazu. Ich fange nicht an zu moralisieren oder sonst einen Scheiß. Ich nehme die Welt, wie sie ist.«
    Wir waren verärgert und schwiegen. Schlenderten weiter.
    »Magst du einen Kaffee? Ich lade dich ein.«
    »Nein, danke. Spar dein Geld für die Kette.«
    »Ach, fängst du schon wieder an?«
    »Nein, bitte, wir können den Kaffee auch zu Hause trinken.«

21
    Verärgert und schweigend kamen wir an. Beide gekränkt. Ich setzte mich auf den Balkon, aber die Beklemmung nagte an meinen Eingeweiden. Ich ging in die Küche, um mir einen Gin Tonic zu mixen. Dann zündete ich mir eine Zigarre an und setzte mich wieder. Agneta sah sich die Nachrichten im Fernsehen an. Mir kam ernsthaft der Gedanke, am nächsten Tag ein Reisebüro aufzusuchen und früher abzureisen.
    Da kam ihre Mutter. Bislang hatten wir uns nur drei- oder viermal gesehen, aber wir mögen einander. Sie ist eine sympathische Frau von Sechsundsechzig, stark und beherzt. Immer erwartet sie, dass ich ihr einen Kuss gebe oder einen Witz mache. Heute kommt sie mit einer großen dunklen Brille, sehr gut frisiert, einer Perlenkette, elegant und unauffällig zugleich. Mit einem breiten Grinsen empfange ich sie. »Oh, Liz Taylor in my house! How are you?« Wir lachen alle. Ich gebe ihr ein Küsschen, wie immer. Etwas völlig Ungewöhnliches. Die Schweden küssen einander nicht. Im Fernsehen wird etwas über die Börse berichtet. Ihr Lieblingsthema. Wir sprechen über Aktien, und ich sage zu ihr: »Scania steigt ja rasant.«
    »Glauben Sie das nicht. Volvo wird Scania aufkaufen.«
    »Dann sollte man also Aktien von beiden kaufen.«
    »Irrtum. Nur von Volvo. Ist sehr solide.«
    »Sie haben viel Erfahrung. Besser tut man, was Sie sagen.«
    »Und Sie sind immer auf dem Laufenden, Pedro Juan. Wenn Sie Schwedisch könnten, wäre das wunderbar.«
    »Könnte ich Schwedisch und hätte eine Million Kronen, würden Sie und ich ein Meisterschaftsteam bilden.«
    »O ja. Würde Ihnen das gefallen?«
    »Ich würde nicht mehr arbeiten. Nur noch dafür sorgen, dass Luft an meine Eier kommt, und mit an der Börse spielen.« Letzteres sagte ich auf Spanisch.
    »Wie? Bitte auf Englisch.«
    »Will sagen, ich bringe Glück. Ich bringe anderen viel Glück.«
    »Das ist keine Frage des Glücks. Man muss analysieren.«
    »Fifty-fifty. Analysis and good luck.«
    »Glauben Sie das?«
    »Sure. Wir würden ein gutes Team abgeben.«
    Agneta serviert Kaffee und Gebäck.
    »Mama, Agneta müssen wir aus dem Team ausschließen. Sie weiß nicht viel vom praktischen Leben.«
    »Nein. Von Geld hatte sie nie eine Ahnung.«
    »Sie mag Geld, weiß aber nicht, wie man es verdient.«
    »Nein, nein, mein Sohn, sie hat Geld nie gemocht. Nie hat sie je Geld oder das gute Leben oder sonst was gemocht. Ich weiß nicht, was sie mag.«
    »Ich jedenfalls lebe gern gut. Aber arbeiten will ich nicht mehr.«
    »Sie sind intelligent.«
    »Mein ganzes Leben lang habe ich gearbeitet, Mama, von Kind auf. Und was besitze ich? Ein altes, von der salzigen Luft zerfressenes Fahrrad.«
    »Oh, Sie haben kein Auto?«
    »Hatte ich. Viele Jahre lang. Das ist jetzt ein Superluxus. Ein altes Fahrrad.«
    »Ohhh, unmöglich.«
    »Jetzt schreibe und male ich nur noch. Das ist ganz leicht. Ein schönes Leben.«
    »Sie müssen einen Bestseller schreiben, Pedro Juan.«
    »Gute Idee.«
    »Und mit diesem Geld in den Händen kann ich Ihnen ein paar Investitionstipps geben. Es gibt ein paar todsichere Firmen.«
    »Vielen Dank, Mama. Ich werde mit meinem Verleger sprechen. Vielleicht backt er uns ja einen Bestseller. Möglich ist alles. Hahaha.«
    Ich trinke keinen Kaffee. Nach dem Gin Tonic mache ich mit Wodka Cola weiter. Mama erzählt, sie habe gestern mit einer ihrer Enkelinnen ein sehr luxuriöses Kreuzfahrtschiff

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