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Animal Tropical

Animal Tropical

Titel: Animal Tropical Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pedro Juan Gutiérrez
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Geld auszugeben verstehen. Wir aßen auf der Terrasse direkt am Meer. Ein riesiger Caesar’s Salad mit Krabben, etwas Kalbfleisch, Rotwein. Der Wein und die Atmosphäre der Anlage entspannten sie genug, dass sie mit gewissen Geständnissen herausrückte, die sie bis dahin für sich behalten hatte. Ich erklärte ihr, dass man in Etappen lebt. Nichts ist von Dauer. Wenn einem das bewusst geworden ist, genießt man jeden Augenblick viel mehr.
    »Das stimmt. Daran habe ich nie gedacht. Ich hatte mal große Häuser mit drei Etagen und neun Schlafzimmern, Rennpferde und Trainer, Hunde, Yachten, Gärten, Schmuck; im Sommer empfingen wir freitags nachmittags um fünf Gäste, standen in den Zeitungen … ohhh … es waren herrliche Jahre.«
    »War dein Mann Schauspieler oder so …?«
    »Nein. Geschäftsmann. Werften für Yachten, ein Hotel und ich weiß nicht, was noch. Geschäftsmann. Jetzt lebe ich in einer anderen Etappe. Mit allem anderen ist Schluss.«
    »Jetzt bist du in der genügsamen Etappe. Alte Jeans, zerschlissene Schuhe … jetzt verstehe ich, warum du nicht über deine Vergangenheit sprichst. Ich habe echt Glück: stoisch in Kuba und frugal in Schweden. Ich habe aber auch ein Glück!«
    »Ohhh …«
    »Du solltest mir alles erzählen, und ich schreibe einen Roman. Wie die schwedische Geliebte vom ekligsten Konsumverhalten und aus existenzieller Leere zu Genügsamkeit mit Vollkornbrot, rohen Möhren und zuckerlosem Tee sowie einem tropischen Lover mutierte.«
    Man brachte uns den Kaffee und die Rechnung. Sie bezahlte tatsächlich.
    »Komm, Agneta, Whisky auf meine Rechnung. Wir kaufen eine Flasche und betrinken uns.«
    »O nein. Ich muss noch fahren. Aber du kannst trinken.«
    »Nein, im Gegenteil. Ich will, dass du trinkst und dich besäufst. Dann erzählst du mir alles, damit ich Die schwedische Geliebte schreiben kann.«
    »Da gibt es nichts zu erzählen. Mein Leben ist sehr langweilig.«
    »Dasselbe sagt Gloria auch. Das behaupten immer die größten Sünderinnen.«
    »Wirklich. Es war immer sehr langweilig. Der Roman wäre ein Mist, den niemand lesen will.«
    Ungewollt wandern meine Gedanken nach Kuba und zu Gloria. Wenn ich ihr vorschlage, Rum zu kaufen und uns zu betrinken, tun wir das auf der Stelle, setzen uns ans Meer, und sobald sie zwei Schlucke getrunken hat, fängt sie an, von ihren Abenteuern zu erzählen. Eine Geschichte nach der anderen. Sie ist nicht zu bremsen. Wir schlendern ein bisschen durch das Dorf auf der anderen Seite der Bucht. Übertrieben touristisch. Ich vergesse den Whisky und muss an meine Jugend denken.
    »Dieses Dorf erinnert mich an Varadero.«
    »Varadero Beach?«
    »Kennst du das?«
    »Es ist sehr bekannt. Viele Schweden fahren an diesen Strand.«
    »Bis dreißig habe ich dort gewohnt. Zwischen Matanzas und Varadero. Meine lesbischen Liebschaften hatte ich dort am Strand, in den Sechzigern. Das Graue Jahrzehnt. Für mich waren es die wilden Jahre. Die ewige Orgie.«
    Wir kamen an einem Schmuckladen vorbei. Eine wunderschöne Kollektion an Goldketten lag aus. Ich sagte zu ihr: »Komm, die sehen wir uns mal an.«
    »Gefallen sie dir?«
    »Schon immer wollte ich eine, aber sie sind zu teuer.«
    Wir traten ein. Sehr höflich wurden wir bedient. Mir gefallen die Dicken aus gehämmertem Gold. Die Preise übersteigen den Inhalt meiner Brieftasche. Wir schlendern weiter.
    »Viel zu teuer. In Kuba bekomme ich sie vielleicht für die Hälfte.«
    »So billig? Unmöglich.«
    »Natürlich nicht im Geschäft. Auf der Straße, von einem Bekannten aus dem Viertel.«
    »Oh, aber … sie könnten gestohlen sein.«
    »Sie sind gestohlen. Vor allem von Touristen.«
    »Oh, das ist nicht gut. Du solltest so eine nicht kaufen.«
    »Warum nicht? Das sind die Billigsten.«
    »Einer Arbeitskollegin von mir wurde in Havanna eine Goldkette geklaut. Drei Stunden nach ihrer Ankunft, auf offener Straße. Man hat sie ihr vom Hals gerissen. Sie war versichert und hat sich schon eine bessere gekauft, aber … gut ist das nicht.«
    »Warum?«
    »Du machst dich zum Komplizen. Das tut man nicht.«
    »Es gibt viele Dinge auf dieser Welt, die man nicht tun sollte. Und sie werden getan. Und wir alle sind Komplizen. Als du reich warst, wusstest du da, woher dein Mann sein Geld hatte?«
    »Aus seinen Geschäften. Es war ehrlich verdientes Geld.«
    »Weißt du, wie viele Hungerlöhne er zahlte und wie viele Leute er zwang, wie die Maultiere zu arbeiten? Gestohlen hat er in jedem Fall.«
    »Das glaube ich nicht. Er

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