Anita Blake 05 - Bleich Stille
Geschichte.
Die Polizei hat nicht den geringsten Humor, wenn sich Außenstehende in ihre Mordfälle einmischen. Kann es ihnen eigentlich nicht verdenken. Ich war eigentlich kein Außenstehender, hatte aber auch keinen offiziellen Status. Keinen Einfluss. Vielleicht wäre das neue Gesetz doch eine gute Sache.
Ich schüttelte den Kopf. Theoretisch wäre ich dann in der Lage, in jedes beliebige Polizeirevier im Land zu gehen und Hilfe zu fordern oder mich ungebeten in einen Fall reinzuhängen. Theoretisch. Im wirklichen Leben wäre die Polizei sauer. Ich wäre so beliebt wie ein nasser Hund in kalter Nacht. Man gehörte weder zur Bundes- noch zur örtlichen Behörde, und es gäbe gar nicht genug Vampirhenker im Land, um ein Dutzend freie Stellen zu besetzen. Ich konnte nur acht Namen nennen, zwei davon hatten sich zur Ruhe gesetzt.
Die meisten waren auf Vampire spezialisiert. Ich gehörte zu den wenigen, die sich auch andere Mordfälle ansahen. Es hieß, das neue Gesetz solle auf alle übernatürlichen Morde ausgedehnt werden. Die meisten Vampirhenker wären überfordert. Es gab keine offizielle Ausbildung. Ich hatte einen Collegeabschluss in übernatürlicher Biologie, aber das war nicht alltäglich. Die meisten wild gewordenen Lykanthropen, die gelegentlichen Trolle, die Amok liefen, und andere Bestien wurden von Kopfgeldjägern erledigt. Aber das neue Gesetz würde Kopfgeldjägern keine besonderen Befugnisse einräumen. Vampirhenker, die meisten zumindest, arbeiteten sehr strikt innerhalb des gesetzlichen Rahmens. Oder wir bekamen nur eine bessere Presse.
Jahrelang hatte ich geschrien, Vampire seien Monster. Aber bis vor ein paar Wochen eine Senatorentochter angefallen wurde, hatte niemand einen Finger gerührt. Jetzt war es auf einmal ein Aufsehen erregender Fall. Die rechtmäßige Vampirgemeinde lieferte den Verdächtigen in einem
Sack beim Haus des Senators ab. Kopf und Rumpf hatten sie unverletzt gelassen, was bedeutete, dass er trotz fehlender Arme und Beine nicht sterben würde. Er gestand den Angriff. Er war ein ganz frischer Vampir, und bei einer Verabredung hatte er sich hinreißen lassen, wie jeder andere einundzwanzig Jahre alte, rotblütige Mann. Ja, klar.
Der örtliche Vampirjäger, Gerald Mallory, übernahm die Hinrichtung. Er wohnt außerhalb von Washington, D. C. Er muss jetzt in den Sechzigern sein. Er macht es noch immer mit Pflock und Hammer. Ist das zu glauben?
Es hatte eine Diskussion gegeben, dass man in der Lage wäre, Vampire ins Gefängnis zu stecken, wenn man ihnen Arme und Beine abnahm. Das wurde hauptsächlich wegen Grausamkeit und unüblicher Bestrafung abgelehnt. Es hätte auch nicht funktioniert, nicht bei den wirklich alten Vampiren. Sie sind eben nicht nur körperlich gefährlich.
Übrigens hielt ich von Folter gar nichts. Wenn es keine Folter ist, jemandem Arme und Beine abzuhacken und ihn für alle Ewigkeit in eine kleine Zelle zu sperren, dann weiß ich nicht, was sonst.
Ich ging zurück zu den anderen. Ich gab Bayard das Telefon zurück. »Hoffentlich keine schlechte Nachricht«, sagte er. »Nicht für mich persönlich«, erwiderte ich.
Er blickte ratlos. Bei ihm kein ungewöhnliches Vorkommnis.
Ich redete Stirling ohne Umschweife an. »Ich muss zu einem Mordfall hier in der Nähe. Kann man irgendwo einen Wagen mieten?« Er schüttelte den Kopf. »Ich habe gesagt, dass Sie, solange Sie hier sind, einen Wagen mit Fahrer zur Verfügung haben. Das war mir ernst.«
»Danke. Obwohl ich wegen des Fahrers nicht so recht weiß. Ich fahre zu einem Leichenfundort, man wird nicht wollen, dass da ein Unbeteiligter herumsteht.«
»Dann also einen Wagen ohne Fahrer. Lionel, sorgen Sie dafür, dass Ms Blake alles bekommt, was sie braucht.« »Ja, Sir.« »Wir treffen uns hier, wenn es dunkel ist, Ms Blake.« »Wenn ich kann, werde ich bei Sonnenuntergang hier sein, Mr Stirling, aber die Polizeiarbeit geht vor.«
Er sah mich stirnrunzelnd an. »Sie arbeiten für mich, Ms Blake.« »Ja, aber ich bin auch der hiesige Vampirhenker. Die Zusammenarbeit mit der örtlichen Polizei geht vor.« »Dann ist es ein Vampirmord?«
»Es ist mir nicht gestattet, mit anderen Leuten über polizeiliche Ermittlungsergebnisse zu sprechen«, sagte ich. Doch ich verfluchte mich. Indem ich das Wort Vampir fallen gelassen hatte, setzte ich ein Gerücht in die Welt, das rasch anwachsen würde. Mist.
»Ich kann dort nicht einfach früher gehen,
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